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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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aber Mr Morgaunt bestand darauf. Er meinte, er bräuchte den besten Inquisitor der ganzen Abteilung, um der Sache auf den Grund zu gehen.«
    »Und um welche Sache handelt es sich?«
    Keegan wies ungeduldig in Morgaunts Richtung. »Machen Sie die Augen auf, Mann!«
    Erst jetzt sah Sascha den ledergepolsterten Hocker vor Morgaunts Sessel und die silberne Schüssel, in der Morgaunt seinen angeschwollenen Fuß kühlte.
    »Gichtanfall?«, fragte Wolf mitfühlend.
    »Nein, Sie Trottel! Er hat sich den Fuß verstaucht!«
    »Ach so. Aber in diesem Fall wäre ein Arzt wohl hilfreicher als ein Inquisitor.«
    Morgaunt lächelte. Sogar sein Lächeln war noch Furcht einflößend. Er bedachte Wolf mit einem Blick, den man beleidigend nennen musste. »Hallo, Miss Astral«, sagte er zu Lily. »Ihr neuer Arbeitgeber hat einen nicht alltäglichen Sinn für Humor. Ob er es wohl unterhaltsam fände, wenn er erführe, dass ich mir den Fuß bei der Vereitelung eines Mordanschlags verstaucht habe?«
    Lily schnappte nach Luft. Sascha blieb zwar stumm, aber er war nicht weniger entsetzt. Es war nicht der erste Mordanschlag auf J.P. Morgaunt. Ein paar Jahre zuvor hatte er ein Attentat bombenwerfender Wiccanisten nur knapp überlebt. Sascha erinnerte sich an den Witz, der damals in New York die Runde machte: Morgaunt sei gestorben und in die Hölle gekommen, aber von dort gleich wieder heimgeschickt worden, denn wie sich herausstellte, war der Teufel selbst ein Angestellter der Pentacle Industries. Sascha hatte nie verstanden, ob die Pointe des Witzes darin bestand, dass Morgaunt noch gemeiner oder noch reicher als der Teufel war. Vermutlich traf aber beides zu.
    Sascha schielte zu Wolf hinüber und sah, dass dieser immer noch Morgaunt anschaute. Seine Miene verriet nichts. »Haben Sie den Attentäter erkannt?«, fragte er.
    Statt zu antworten, setzte Morgaunt beide Füße auf den Boden, lehnte den Oberkörper nach vorn und stützte sich mit den Ellbogen auf die Knie. In dieser Haltung betrachtete er nun Wolf, wie ein Sammler einen exotischen Käfer studiert. »Welcher Abstammung sind Sie, Wolf?«, fragte er unvermittelt. »Irisch, deutsch oder was?«
    Eine solche Frage war nicht ungewöhnlich in einer Stadt, wo die Position und der soziale Rang der meisten Leute davon abhing, wessen Eltern Kind sie waren. Wolfs Antwort überraschte Sascha.
    »Das weiß keiner.«
    Morgaunt hob fragend eine Augenbraue.
    »Ich wurde auf der Türschwelle des Waisenhauses der barmherzigen Schwestern gefunden.«
    »Aha, wohl in einem Korb mit einem Zettel darin«, höhnte Morgaunt.
    »Ohne Zettel.«
    »Und die Schwestern haben Sie Maximilian genannt? Das ist ein erstaunlicher Name für ein Waisenkind.«
    Wolf lächelte leise. »Die barmherzigen Schwestern haben große Hoffnungen in mich gesetzt.«
    »Und die haben Sie erfüllt. Sie müssen ein fähiger Mann sein, da Sie so rasch Karriere gemacht haben, ohne dass Ihnen Geld oder familiäre Beziehungen den Weg geebnet hätten.«
    »Ich hatte Glück mit meinen Freunden.«
    »Vielleicht auch nicht.« Morgaunt lehnte sich in den Schatten des Sessels zurück und legte seinen malträtierten Fuß wieder hoch. »Roosevelt hat Sie nicht mit nach Washington genommen. Wollten Sie das so?«
    »Ja. Ich habe keinen Sinn für Politik.«
    Morgaunt kicherte. »Welcher echte Mann hat den schon. Politik besteht aus Lügen, Bestechung und Schmeichelei. Für einen Mann der Tat gibt es bessere Mittel und Wege, der Welt seinen Stempel aufzudrücken.«
    »Hat deshalb jemand gestern Abend versucht, Sie zu ermorden? Weil ihm der Stempel nicht gefiel, den Sie der Welt aufdrücken wollen?«
    Statt einer Antwort machte Morgaunt seiner Bibliothekarin ein Zeichen. Diese rauschte in ihrem Seidenkleid aus dem Saal und kam wenig später mit neuem Eis für seinen verstauchten Fuß wieder. Nachdem sein Knöchel versorgt war, begann Morgaunt in klaren, schnörkellosen Sätzen zu sprechen, die Sascha so unverrückbar erschienen, als wären sie mit einer hydraulischen Presse in einem der morgauntschen Stahlwerke gestanzt worden.
    »Der Attentäter hat gestern Abend nach einem privaten Abendessen zugeschlagen. Genau hier in diesem Saal. Aber er hatte es nicht auf mich abgesehen. Thomas Alva Edison war das auserkorene Opfer. Und der Attentäter war kein gewöhnlicher Killer, sondern ein Dibbuk.«
    Bei diesem Wort gerann Sascha das Blut in den Adern. Welcher Wahnsinnige sollte in New York einen Dibbuk loslassen? Ein Dibbuk war die schrecklichste Gestalt

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