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Der Seelenfänger (German Edition)

Der Seelenfänger (German Edition)

Titel: Der Seelenfänger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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ist bankrott.«
    »Aha …, äh …, wo ist sie jetzt?«
    »Weiß der Kuckuck, im Übrigen ist mir das schnuppe.«
    »Hat sie eine Adresse hinterlassen?«
    »Nicht dass ich wüsste. Ich brauche auch keine.« Der Mann spuckte verächtlich aus. »Was die Auktion einbringt, wird bei Weitem nicht reichen, die Forderungen der Gläubiger zu erfüllen, geschweige denn, dass etwas für die gute Frau übrig bleibt.«
    »So ist das also. Wissen Sie vielleicht, wie man sie erreichen kann?«
    »Nee!«, sagte der Mann grob. »Und ich habe auch keine Zeit, das für Sie herauszufinden.« Doch dann lenkte er ein, vielleicht, weil er sich schämte oder weil er auf eine kleine Belohnung hoffte. »Sie können Mrs Worleys Hausmädchen fragen. Sie hält sich hier immer noch auf, obwohl ich nicht weiß, von wem sie hofft, ihren ausstehenden Lohn zu bekommen.«
    Sie fanden das Hausmädchen in der Küche. Sie machte einen niedergeschlagenen Eindruck und schnäuzte sich in ein Taschentuch, das sie an diesem Tag schon oft benutzt haben musste. Wolf setzte sich dem Mädchen genau gegenüber an den Küchentisch und schenkte ihr sein freundlichstes Lächeln. Binnen Minuten hatte er sich eine Tasse Kaffee erschlichen und hörte sich geduldig die Lebensgeschichte der Mary Mulvaney an (die in der Pfarrei von Ballyseede Castle in der irischen Grafschaft Kerry begann), gefolgt von der Lebensgeschichte von Mrs Worley (die am Rittenhouse Square in Philadelphia begann), gefolgt von der Tragödie von Mr Worleys Bankrott mit anschließendem Selbstmord.
    Wenn Sascha es richtig verstand – Miss Mulvaney brach immer wieder mitten im Satz in Tränen aus, was es nicht gerade leicht machte, ihr zu folgen –, hatten Mr und Mrs Worley bis vor zwei Wochen noch ein ganz normales, ruhiges Leben geführt, doch das änderte sich, als Mr Worley sein Patent für den Seelenfänger anmeldete. Kurz darauf erhielt er Besuch von einigen Herren, die in einem langen, schwarzen Automobil vorfuhren. Sie umgarnten ihn mit ihren Reden und kauften ihm für eine sagenhafte Geldsumme die Rechte an seiner Erfindung ab. Kaum hatte Worley das Geld angenommen, brach das Unglück über ihn herein.
    Ganz gleich, wo er das Geld investierte, es ging verloren. Ernten wurden verhagelt, Brücken stürzten ein, Schiffe gingen unter. Seriöse Geschäfte lösten sich durch Skandale in Luft auf. Bald hatte er nicht nur das Geld von J.P.Morgaunt verloren, sondern auch alle seine Ersparnisse.
    »Die Börsenzauberer von der Wall Street haben ihm das angetan«, jammerte Mary Mulvaney. »Das ist nicht nach dem Gesetz, was die machen. Der Aktienmarkt ist doch ein großer Schwindel. Man sieht es ja, wie er einen ehrlichen Mann ruiniert hat, der alles in ihn gesetzt hat.«
    »Warum hat Mr Worley denn alles in ihn gesetzt?«
    »Na, wegen denen. Bevor sie ihn am Haken hatten, war er ein vernünftiger Mann, wie man ihn sich als Herrschaft nur wünschen kann. Na ja, bis auf den Erfinderfimmel. Aber das tat er nur in seiner Freizeit und er hat darüber nie seine Familie vergessen. So ein liebevoller Ehemann. Ich glaube nicht, dass er sich wegen dem Geld umgebracht hat. Er konnte wohl nicht mit dem Gedanken leben, was er seiner Frau angetan hat.«
    »Das muss ja ein schwerer Schock für sie gewesen sein«, sagte Wolf mitfühlend.
    »Ich darf gar nicht daran denken. Sie war immer so gut zu mir. Ich hätte ihr ja gern geholfen, aber was könnt ich denn tun?«
    »Allein schon, dass Sie hier sind, ist eine große Hilfe für Mrs Worley«, tröstete sie Wolf.
    Das Mädchen seufzte. »Ich konnte nicht mit ansehen, wie die Versteigerer ihre Sachen durchwühlten. Deshalb bin ich hiergeblieben, um das Haus abzuschließen und …« Wieder war sie den Tränen nahe.
    »Dann ist Mrs Worley also gar nicht mehr im Haus?«
    »Sie ist schon vergangene Wochen nach New York abgereist.« Wieder Schluchzen. »Sie wollte nicht, dass ich sie begleite, da sie mich nicht mehr bezahlen kann, aber wenn ich daran denke, dass sie so ganz allein in dieser schrecklichen Stadt ist …«
    Das Mädchen brach in Tränen aus und verbarg das Gesicht in seinem triefnassen Taschentuch.
    Sascha empfand Mitgefühl. Dass es sich bei dem Mädchen um eine gute Seele handelte, war klar. Und ebenso klar war, dass zwischen ihr und den Worleys echte Zuneigung bestanden hatte, eine Anhänglichkeit, die weit über ein bloßes Dienstbotenverhältnis hinausging. Wenn die Worleys solche Liebe und Treue verdient hatten, mussten sie wirklich gute Menschen

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