Der Seelenhändler
Satyrn etwa, Ungeheuer, die mit Hörnern und Ziegenfüßen versehen sind. Konnte es nicht durchaus sein, dass sich einige von ihnen in diese von wilder Einsamkeit und Chaos erfüllte Schlucht verirrt hatten?
Noch während Magnus unbeweglich dastand und überlegte, drang erneut ein Laut an sein Ohr. Diesmal jedoch konnte er ihn genau bestimmen. Was er da hörte, war, über jeden Zweifel erhaben, das Wiehern eines Pferdes. Ein Pferd, hier am Eingang zur Schlucht? Er stellte seinen Korb auf dem Boden ab und hastete weiter den Pfad entlang, der an dieser Stelle eine scharfe Kehre beschrieb. Als er um die Kurve bog, sah er plötzlich einen langsam trabenden Schatten auf sich zukommen. Schnaubend kam er näher. Magnus erkannte ihn auf Anhieb: Brutus, der Hengst des Abtes stand vor ihm.
„Schscht … ruhig, Brutus. Ist ja schon gut. Komm her Schwarzer“, versuchte der Mönch das Pferd zu beruhigen. Behutsam klopfte er ihm den Hals.
Magnus blickte sich argwöhnisch um. Er spürte, wie sich sein Puls beschleunigte. Basilius, der verbrecherische Cellerar. War er etwa hierher geflüchtet? Offensichtlich! Die Anwesenheit von Brutus ließ keinen anderen Schluss zu. Gestern, während einer außerordentlichen Kapitelversammlung, hatte Magnus das Ungeheuerliche erfahren. Mit Entsetzen hatten er und die anderen Brüder die Nachricht zur Kenntnis genommen, die Prior Metschacher verkündet hatte.
Angestrengt versuchten die Augen des Mönchs das Dickicht um ihn herum zu durchdringen, doch er konnte nichts erkennen. Kurz entschlossen löste er den Gürtel, den er um die Hüften trug, und band den Hengst damit an einen der Bäume. Hastig zog er seine Kutte aus und schnürte die Tunika hoch. Danach sah er prüfend an sich hinunter – gut, dass er seine Sandalen vor dem Aufbruch noch durch festeres Schuhwerk ersetzt hatte. Noch einmal klopfte er Brutus beruhigend den Hals, dann ging er so rasch er konnte weiter. Kurze Zeit später endete der mittlerweile kaum wahrnehmbare Pfad in dichtem Wald, in den sich nur hier und dort noch ein vereinzelter Sonnenstrahl verirrte.
Unschlüssig, was er weiter tun sollte, drang plötzlich lautes Knacken an Magnus’ Ohr, das sofort wieder erstarb. Magnus lauschte in den Wald hinein und wartete. Gleich darauf wiederholte sich das Geräusch, und er nahm einen durch das Dickicht huschenden Schatten wahr. Der Schatten verschwand, doch das Knacken blieb. Es entfernte sich flussabwärts.
Verbissen beschloss Magnus, dem Phantom nachzusetzen. Ungeachtet des wild wuchernden Gestrüpps, das ihm Gesicht und Hände zerkratzte, schlug er sich stolpernd und springend durch den Wald und hangelte sich an Ästen und Stämmen Stück um Stück den abschüssigen Hang hinunter. Ein stetig lauter werdendes Tosen verriet, dass er dabei dem Fluss immer näher kam.
Endlich sah er durch das Dickicht Licht schimmern. Der Wald wurde lichter und machte schließlich einem breiten Geröllgürtel Platz, welcher zum Fluss hin abfiel und in einen felsbewehrten Uferstreifen überging, unterhalb dem die Enns weiß schäumend in ihrem Bett wogte. Noch hatte Magnus das Dickicht nicht verlassen, als er plötzlich wie versteinert innehielt.
Weit von der Stelle entfernt, wo er sich befand, unmittelbar am Rand des Ufers, auf einem erhöhten Felsstück, ragte, die Arme zur Seite ausgestreckt, die schwarze bewegungslose Gestalt eines Benediktiners empor. Er wandte seinem Verfolger den Rücken zu und hatte die Kapuze über das Haupt gestülpt.
Basilius! Was hatte er vor? War er wahnsinnig geworden?
Noch während die Gedanken durch seinen Kopf wirbelten, beschloss Magnus, die Initiative zu ergreifen. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und trat langsam hinter dem Dickicht hervor. Die Hände zu einem Trichter geformt, rief er mit lauter Stimme über das Geröllfeld hinweg: „Basilius, gib auf! Um deines ewigen Heils willen – bereue vor dem Angesicht des Herrn und stelle dich der irdischen Gerechtigkeit!“
Der Mönch, der immer noch völlig reglos auf dem Felsen verharrte und Magnus den Rücken zuwandte, antwortete zunächst mit einem höhnischen Lachen. Dann ertönte, umtost vom Brausen des Flusses, seine Stimme.
„Ich habe dich erwartet, Bruder Magnus. Ich wusste, dass dich die Suche nach Kräutern heute hierher führen würde. Doch nun hör gut zu und berichte deinem Prior das, was du nun sehen wirst. Ich weiß, dass mein Leben verwirkt ist. Und ich weiß auch, dass man mich jagen wird wie einen räudigen Hund. Doch niemandem wird
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