Der Seelenhändler
Kaspar.
Der nickte bestätigend mit dem Kopf und trat verlegen von einem Bein aufs andere. „Was er sagt, ist richtig. Fast hätten wir sie gehabt, da stürzte sie über den Stamm und lag auf einmal tot da. Wir konnten nichts dafür“, beteuerte er.
„Ja, wirklich nicht. Wir chaben sie in Erdspalte geworfen, damit niemand Frau findet“, log Ivo weiter.
Während seine Lüge großes Entsetzen bei den Venezianern auslöste, schien sie den Schwarzen nicht weiter zu beeindrucken.
„Schade“, brummte er stattdessen nur, „hätte uns bestimmt ein zusätzliches Sümmchen eingebracht, die Kleine.“ Dann baute er sich dicht vor den Venezianern auf, die fahl vor Angst zu ihm emporblickten.
„Buon giorno, Signori“, grüßte er. Seine Stimme klang angenehm voll. „Ist unter Euch jemand des Deutschen mächtig?“, fuhr er freundlich fort.
Die Angesprochenen schwiegen. Der Schwarze wartete. Aber den Venezianern kam kein Wort über die Lippen.
„Nun gut. Da dies nicht der Fall zu sein scheint, kann ich Euch bedauerlicherweise auch nicht mitteilen, wie Ihr Eure Lage verbessern könnt.“ Achselzuckend wollte sich der Schwarze entfernen.
„Ich spreche Eure Sprache.“ Es war Lodovico Polo, der sich dazu entschlossen hatte, sein Schweigen zu brechen, und nun darum bemüht war, seiner Stimme einen Hauch von Autorität zu verleihen. „Und ich sage Euch: Vielleicht solltet Ihr eher darüber nachdenken, wie sich Eure Lage verbessern lässt. Nämlich nur dadurch, dass ihr uns sofort freigebt. Ihr wisst, welche Strafe auf Wegelagerei steht.“
„Oh, guter Versuch“, meinte der Schwarze und lachte verhalten. „So spricht also doch einer von Euch deutsch. Und dazu noch ganz hervorragend, fast akzentfrei. – Aber, Signore, glaubt Ihr tatsächlich, dass wir sämtliche Eurer Begleiter umgebracht haben, um Euch gleich wieder frei zu geben? Da wären sie ja völlig umsonst gestorben“, witzelte er zynisch. „Also fügt Euch in Eure Lage, ohne Sperenzchen zu machen. Ich rate Euch, dies auch Euren beiden Landsleuten nahezulegen. Ihr seid in meiner Gewalt. Und ich verstehe keinen Spaß.“ Bei den letzten Sätzen hatte der Schwarze seinen amüsierten Tonfall geändert; kalt und drohend klangen seine Worte.
Lodovico war kein Dummkopf. Als Kaufmann verstand er sich aufs Kombinieren. Langsam dämmerte ihm, dass sie im Grunde genommen froh sein konnten, noch am Leben zu sein. Mit der gleichen Präzision und Schnelligkeit, mit der die Banditen den bewaffneten Begleitschutz ausgeschaltet hatten, hätten sie auch ihn und seine beiden Begleiter aus dem Weg räumen können. Es musste also einen Grund dafür gegeben, weshalb sie das nicht getan hatten.
„Würdet Ihr die Güte haben, uns zu erklären, was Ihr eigentlich von uns wollt?“ Lodovico bemühte sich um einen neutralen Tonfall.
„Ah, seht Ihr, so ist es schon besser. Wenn ihr nach meiner Güte fragt, will ich sie Euch gern gewähren“, spöttelte der Schwarze. „Allerdings bitte ich Euch noch um etwas Geduld. Ihr werdet beizeiten erfahren, was Ihr tun könnt, um Euer Leben zu retten. Zunächst einmal wäre mir damit gedient, wenn Ihr die Schlüssel herausgeben würdet, mit denen sich die Kisten dort öffnen lassen. Es wäre schade, wenn wir die Schlösser sprengen müssten, meint Ihr nicht auch?“
„Ihr findet alle Schlüssel in einem ledernen Beutel, der an meinem Sattel hängt. Sie sind mittels eines Eisenringes miteinander verbunden.“
„Seht Ihr, Signore, das nenne ich Kooperation. Im Übrigen: Würdet Ihr mir Euren Namen und den Eurer Begleiter verraten? Mich selbst dürft Ihr Signor Nero nennen – was ja, wenn ich mich nicht irre, so viel wie ,schwarz‘ in Eurer Sprache bedeutet. Also – Eure werten Namen?“, wiederholte Signor Nero, der jetzt die Höflichkeit in Person war.
Widerwillig begann Polo, sich und seine zwei Begleiter vorzustellen. Es widerstrebte ihm, eine Konversation mit einem Verbrecher führen zu müssen, wie sie eigentlich nur unter Männern von Ehre üblich war, aber es blieb ihm nichts anderes übrig. „Ich bin Lodovico Polo. Gleich neben mir seht Ihr Francesco Lombardi. Und rechts von ihm, das ist Luigi dal Pietra. Wir sind Kaufherren aus Venedig, wie Ihr Euch denken könnt.“
„Ich sehe, Ihr sagt die Wahrheit. Ihr, Polo, handelt mit allem, mit dem sich handeln lässt, Lombardi ist Bankier und ein Neffe des Dogen, und dal Pietra ist für seine hervorragenden Gewürze und erlesenen Tücher bekannt.“
Lodovicos Überraschung
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