Der Seelenhändler
Zudem ist klar: Der Überfall muss von langer Hand geplant gewesen sein.“
„Ihr sprecht von Spuren, die ins Laussatal weisen. Und davon, dass es keinen anderen Fluchtweg geben könne. Woher wollt Ihr das wissen?“, fragte von Schmelzer.
„Zum einen habe ich selbst diese Spuren verfolgt – soweit es mir in dieser kurzen Zeit möglich war. Zum anderen: Wohin sollten sie sich wohl sonst wenden? Abseits der stark befahrenen Wege gibt es nur eine sinnvolle Fluchtmöglichkeit – und die führt über die Admonter Höhe hinunter ins Tal der Laussa oder noch ein Stück weiter.“
„Ihr selbst habt die Spuren verfolgt?“ Von Schmelzer wunderte sich.
Prior Metschacher schaltete sich ein. „Ihr müsst wissen, dass Herr von der Klause von mir, von Landrichter Taupekh und dem Inquisitor, Heinrich von Olmütz, gewissermaßen als Sonderbevollmächtigter eingesetzt wurde, um die Suche nach den Mördern aufzunehmen. Er ist ein Meister im Erkennen und Deuten von Spuren und Hinweisen.“ In der Tat hatte Otto Metschacher das von Wolf geforderte Dokument endlich erhalten und es ihm gerade erst diesen Morgen ausgehändigt.
„Ich verstehe“, von Schmelzer nickte mit dem Kopf. „Doch wenn Ihr schon wisst, in welche Richtung sie sich davongemacht haben, sollte es doch Möglichkeiten geben, die Verbrecher aufzuspüren“, wandte er sich direkt an Wolf.
„Mit Verlaub – Ihr vergesst, dass es unterschiedliche Ziele gibt, die infrage kommen. Die Bande könnte sich durchaus im Laussatal aufhalten. Aber sie kann sich auch genauso gut weiter in Richtung Westen davongemacht haben. Auf jeden Fall bewegt sie sich in einem Gelände, in dem die Versteckmöglichkeiten so zahlreich sind wie die Sterne am Himmel.“
„Da habt Ihr natürlich Recht“, räumte von Schmelzer ein. „Andererseits denke ich …“
Schmelzer hielt inne. Ein heftiges Klopfen hatte ihn seine Rede unterbrechen lassen, unvermittelt fuhr sein Blick zur Tür. Auch die anderen wandten erstaunt den Kopf.
„Ich sagte doch, man soll uns nicht stören“, rief der Saurauer ärgerlich.
Ungeachtet dessen flog die Tür auf, und einer der Torwächter erschien. Sein völlig verstörtes Gesicht ließ ahnen, dass er einen guten Grund für diese Unverfrorenheit haben musste.
„Verzeiht, edler Herr Graf … aber … aber … da ist wohl jemand dem Überfall entkommen. Eine Dame … sie … wünscht Euch zu sprechen.“
Der Saurauer starrte seinen Diener an, als sei er nicht ganz bei Sinnen. Dann sprang er mit einem Ausruf der Verblüffung vom Stuhl.
„Was sagst du da? Das … das kann nicht sein!“
In diesem Augenblick tauchte eine Gestalt hinter dem Wächter auf und schob sich einfach an ihm vorbei in die Halle.
„Doch!“
Die um den Tisch versammelte Männerrunde erstarrte.
Eine Frau war in den Saal getreten. Sie hatte das Haupt mit einer Gugel verhüllt. Reithose und Wams, in die sie gekleidet war, vermochten nur unzureichend die weiblichen Formen zu kaschieren, die ein erfahrenes Männerauge darunter vermutete.
Die Frau grüßte mit einem leichten Nicken, in dem die Gelassenheit einer Königin lag.
„Gestattet, dass ich mich vorstelle, edle Herren: Katharina von Klingfurth.“
Indem sie den Kopf mit der Gugel selbstbewusst nach hinten warf, legte sie ihre blonde Mähne frei – eine Bewegung, die die Männer geradezu von ihren Stühlen aufspringen und sie die Frau anstarren ließ, als sei sie ein Wesen aus einer anderen Welt.
Sie sahen in ein Gesicht von atemberaubender Vollendung, dessen Züge eine faszinierend eigentümliche Kombination aus mädchenhafter Zartheit und unbeugsamer Entschlossenheit aufwiesen. Tiefblaue Augen unter vollendet geschwungenen, dunklen Brauen, die einen reizvollen Kontrast zu der blonden Haarpracht bildeten, musterten ernst, fast kritisch die männliche Gesprächsrunde, während um den markant geschnittenen Mund herum eine eigentümliche Starre lag, die zu dem sonst makellosen Antlitz nicht recht zu passen schien. Erst beim zweiten Hinsehen bemerkte man auch einige blutverkrustete Kratzer in ihm. Die Frau schien einiges durchgemacht zu haben.
„Ich konnte tatsächlich entkommen, wie Ihr seht. Besser gesagt, bin ich mit dem Leben noch einmal davongekommen“, fuhr sie fort. „Im Gegensatz zu Euren Waffenknechten, die ich in ihrem Blut liegen sah. Ich versichere Euch, dass es mir unendlich leid um sie tut, Graf“, wandte sich die Klingfurtherin leise an den Saurauer. Die Starre in ihrer Miene begann sich aufzulösen. Um
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