Der Seelenhändler
wieder das Wort ergriffen und bezog sich dabei auf das Gespräch, das er mit Wolf am vorherigen Abend geführt hatte, kurz nachdem dieser auf Gallenstein eingetroffen war.
„Wenn ich Euch richtig verstehe, Graf, geht also auch Ihr davon aus, dass sich die Entführer melden werden, um ein Lösegeld zu erpressen. Doch von wem?“ Nikolaus Schinopl, der Pfarrer, hatte die Frage gestellt und sich damit zum ersten Mal in das Gespräch eingeschaltet. Er galt als wortkarg, verfügte aber über einen scharfen Verstand und genoss in der Gegend hohes Ansehen. Im vergangenen Jahr hatte ihn der stiftische Konvent zu Admont dazu auserkoren, der Wahl des derzeitigen Abtes Wilhelm von Reisberg die oberhirtliche Genehmigung aus Salzburg zu verschaffen.
„Die Schnapphähne werden es schnell herauszufinden wissen, wem wohl am Leben der drei Herren am meisten gelegen sein könnte“, antwortete der Graf.
„Doch wohl deren Familien“, warf Katharina von Klingfurth ein.
„Grundsätzlich ja“, gab ihr Wolf Recht, „vielleicht bauen die Entführer tatsächlich auf das Band des Blutes. Es verbindet bekanntlich am stärksten. Doch es gibt noch eine andere Möglichkeit. Wir müssen davon ausgehen, dass die Räuber es von Anfang an auf eine Entführung abgesehen hatten. Offenbar wussten sie, welch dicker Fisch ihnen da ins Netz gehen würde. Und auch, in welcher Mission die drei Herren reisten und von welcher Bedeutung diese Mission für das Stift ist. Also liegt die Möglichkeit nahe, dass sie auch das Stift erpressen könnten.“
Die Runde schwieg. Was Wolf sagte, klang zunächst durchaus plausibel.
Heinrich Schemphiren, Kaufmann zu Steyr, meldete sich zu Wort.
„Mit anderen Worten: Ihr glaubt, dass sich die Entführer irgendwann melden werden, um dem Stift ihre Forderungen zu unterbreiten?“, wandte er sich an Wolf.
„Ja, diese Vermutung liegt nahe.“
„Und wann?“
„Das mag der Himmel wissen.“
„Das heißt, wir können alle miteinander nichts weiter tun als warten?“
„Nein, Herr Schemphiren, das heißt es nicht. Ihr könnt gewiss sein, dass wir hier alles unternehmen werden, um Licht ins Dunkel zu bringen. Es gibt da auch noch weitere Hinweise, die zu verfolgen ich im Begriff bin.“
„Weitere Hinweise?“, fragte Schemphiren verwundert, „wollt Ihr sie uns nicht nennen?“
„Mit Verlaub – darüber möchte ich erst sprechen, wenn ich mehr Klarheit gewonnen habe“, wehrte Wolf ab. „Ihr müsst wissen, dass die Schurken noch ein anderes Verbrechen auf dem Kerbholz haben. Sie haben vor vier Wochen eine ganze Familie ausgelöscht. Ich suche noch nach Zusammenhängen“, fügte er mit bebender Stimme hinzu.
Die versammelte Runde blickte erstaunt auf.
„Hmm“, räusperte sich nun ein weiterer zur Begleitung des Schmelzer gehörender Kaufherr, Ruprecht von Rohnstein. „Weitere Hinweise? Ich denke doch, dass Ihr uns die nennen solltet. Wir haben ein Anrecht darauf. Schließlich geht es um ein Unternehmen, in das wir alle investiert haben – und damit um unsere Zukunft und die Steyrs.“
Auch Jakob von Schmelzer war sichtlich pikiert. Erneut schaltete er sich ein. „Verzeiht, Herr von der Klause …“, begann er und strich sich zum wiederholten Mal den Bart, „auch ich bin … nun, sagen wir ein bisschen überrascht. Immerhin sind auch Menschenleben in Gefahr – das der drei Herren aus Venedig … sowie der beiden Fuhrknechte. Und natürlich ist ein unerhört wichtiges Geschäft davon betroffen. Ich denke, dass wir angesichts dessen mit Geheimniskrämereien nicht gerade weiterkommen.“
Schemphiren, von Rohnstein und auch die drei Steyrer, die bis jetzt noch keinen Ton von sich gegeben hatten, nickten zustimmend.
Arnim von Hallstatt nutzte die Gunst des Augenblicks. „Wolf, Ihr wisst, dass wir Eure Bemühungen sehr schätzen. Aber auch ich bin der Meinung, dass wir ein Anrecht darauf haben, alles Wissenswerte zu erfahren. Warum also wollt Ihr die Dinge nicht beim Namen nennen?“, sagte er forsch.
„Ihr habt es eben selbst gesagt, Arnim. Das Wissenswerte sollt und habt Ihr auch erfahren. Doch was würde es nützen, Euch mit Dingen zu behelligen, mit denen Ihr nichts anzufangen wisst und die ich selbst noch nicht richtig einzuschätzen vermag? Es würde nur verwirren.“
Otto Metschacher ergriff das Wort.
„Ich denke, wir sollten dieser Bitte stattgeben“, entschied er. „Herr von der Klause genießt das uneingeschränkte Vertrauen des Stiftes. Er wird seine Gründe haben, wenn er in
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