Der Seelenhändler
sich auf den Rücken des Fuchses.
„Wenn Ihr meint – gerne“, stimmte Wolf zu und stieg ebenfalls auf. Gemächlich trabten sie zum Tor hinaus.
Den ersten Teil des steilen Weges, der sie in vielen Windungen hinunter ins Tal führte, ritten sie schweigend nebeneinander her. Katharina tat so, als mustere sie interessiert die Gegend. Nur hin und wieder blickte sie distanziert lächelnd zu Wolf hinüber, der ebenso distanziert zurücklächelte. Fast schien es, als ob sich eine gewisse Verlegenheit zwischen ihnen breitgemacht hatte, die ihnen das Sprechen verwehrte.
Erst als sie schon fast unten im Tal angekommen waren und das Gefälle sanfter wurde, brach Katharina das Schweigen.
„Seid Ihr in Gesellschaft einer Dame immer so schweigsam, Herr von der Klause?“, fragte sie. Diesmal wirkte ihr Lächeln seltsam kühl, fast hochmütig, und Wolf fragte sich, über wie viele Varianten zu lächeln die Frau, die da neben ihm ritt, wohl noch verfügen mochte.
Dann aber schmunzelte er. „Ich habe schon sehr lange die Gesellschaft einer Dame vermissen müssen“, erklärte er schließlich und sah nachdenklich auf seine Hände. „Wahrscheinlich habe ich die Dinge, die man in Gesellschaft einer so bezaubernden und schönen Dame, wie Ihr es seid, sagen sollte, verlernt.“
„So? Das scheint mir aber nicht der Fall zu sein. Ihr versteht es zumindest, einer Dame Dinge zu sagen, die Ihr für ein Kompliment haltet. Schönheit und Anmut – ist das das Einzige, was ihr Männer an uns Frauen schätzt?“ Die Schärfe in ihrer Frage war unüberhörbar. Fast erschrocken fuhr Wolf hoch und blickte zu ihr hinüber. Allein ihre Mundwinkel zeigten noch die Andeutung eines Lächelns.
„Ist Eure Frage dahingehend zu verstehen, dass Ihr keine Komplimente mögt?“, antwortete er verblüfft.
„Nicht unbedingt. Ich mag es nur nicht, wenn man nichtssagende Redensarten drischt. Und dabei dem äußeren Schein eine größere Bedeutung zumisst als dem inneren Sein – wenn Ihr versteht, was ich meine.“
„Ihr müsst mit Männern schlechte Erfahrungen gemacht haben, wenn Ihr jeden, der Euch sagt, dass Ihr bezaubernd seid, einen Schwätzer nennt. Ihr wisst, dass Ihr nicht nur schön seid. Ihr verfügt auch über einen scharfen Verstand – allerdings auch über eine scharfe Zunge.“
Mit einem Ruck hielt Katharina ihr Pferd an.
Leicht betreten sah sie ihn an. „Verzeiht, Herr von der Klause, so habe ich das nicht gemeint. Es ist nur … “, sie hielt kurz inne, als suche sie nach den geeigneten Worten, „… ist es nicht so, dass fast alle Männer an uns Frauen nur das Äußere wahrnehmen und nur das an unseren Körpern zu schätzen wissen, was ihnen Lust zu bereiten verspricht? Und dabei ignorieren, dass auch wir Geist besitzen? Dass sie uns Frauen die Waffen des Geistes jedoch verwehren, aus Furcht, wir könnten die von ihnen beherrschte Welt damit in Stücke hauen? Und uns darum in die Kerker von Küche, Haus und Hof verbannen? Dass sie uns den Zugang zu den Stätten des Wissens verwehren und uns lieber in die Ketten der Unwissenheit geschmiedet sehen, weil sie fürchten, dass wir aufbegehren könnten gegen Ungleichheit und Knechtschaft? Obwohl auch wir Frauen nach dem Bilde Gottes geschaffen wurden?“ Die Klingfurtherin hatte sich in Rage geredet, ihre Wangen glühten.
Wolf wusste zunächst nicht, wie er auf diesen unerwartet heftigen Ausbruch reagieren sollte, entschied sich dann aber dafür, zu schweigen. Die junge Frau neben ihm irritierte ihn ebenso, wie sie ihn faszinierte. Was hätte er ihr auch sagen sollen? Dass er ähnlich dachte wie sie? Dass auch er die Welt, in der sie lebten, als eine von Willkür, Ungerechtigkeit und Ungleichheit erfüllte Welt betrachtete? Und dass auch er von allen Formen der Unterdrückung die des Geistes als die schlimmste empfand?
Wieder ritten sie wortlos nebeneinander her. Ihr Weg hatte sie eine bewaldete Anhöhe hinaufgeführt. Jetzt wurde der Wald lichter, und sie gelangten auf eine mit Gras bewachsene Kuppe, von der aus sie weit ins Tal und auf die gegenüberliegenden Höhen blicken konnten. Noch schien die Sonne. Doch am Horizont begannen dunkle Wolken heraufzuziehen.
„Wir werden bald in ein Gewitter kommen“, sagte Wolf und sah prüfend in den Himmel.
Katharina folgte seinem Blick. „Ja“, stimmte sie ihm zu, „es wird nicht mehr lange dauern.“
Sie stieg vom Pferd und setzte sich auf ein Stück Fels, das aus dem grasigen Boden ragte. Wolf tat es ihr gleich, hockte sich
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