Der Seelenhändler
offen zu halten. Nur darum wollte ich Euch bitten, Graf. Und nun erlaubt, dass ich gehe. Ich werde Euch nicht länger stören.“ Wolf wandte sich zur Tür.
„Wartet! Auf ein Wort noch“, bat Friedrich. Er hatte sich erhoben. Mit schweren Schritten schlurfte er um den Tisch herum. Die unverblümten Ausführungen Wolfs schienen die Last, die ihn seit Tagen bedrückte, noch vergrößert zu haben.
„Verzeiht mein unwirsches Auftreten“, sagte er mit spröder Stimme und legte Wolf die Hand auf die Schulter, „aber mit meinem Gemüt steht es nicht zum Besten. Was Ihr sagt, ist natürlich richtig. Wir alle werden Augen und Ohren aufsperren müssen. Und bitte, glaubt mir, ich weiß Euch sehr zu schätzen und werde Euch nach Kräften unterstützen. Gebe Gott, dass Ihr Erfolg habt.“
Während er die Stufen zur Eingangshalle hinunterschritt, versuchte Wolf seine Gedanken neu zu ordnen. Das Gespräch mit dem Grafen hatte ihm selbst noch einmal schonungslos vor Augen geführt, in was für einer hilflosen Lage sie sich angesichts des Überfalls befanden.
Zum wiederholten Mal zog er in Gedanken die Bilanz der Ereignisse: Ein Überfall in der Buchau am helllichten Tag. Zehn tote Waffenknechte und mehrere entführte Personen, von denen jede Spur fehlt; ganz zu schweigen von den mitgeführten Waren und dem Geld. Ein Verräter im Umkreis des Grafen. Nicht greifbar, noch ohne Identität, nicht einmal die Spur eines Verdachtes. Vor gut einem Monat der Mord an Arnulf, Agnes, Tassilo, Paul und Anna mit all seinen rätselhaften Begleitumständen. Zwei Verbrechen, die offenbar nichts miteinander zu tun hatten und deren Konturen sich gleichermaßen im Nebel verloren.
Ja, das war es, was ihm besonders zu schaffen machte. Das Nebulöse, fast Unwirkliche der Situation; die Tatsache, dass er blind umhertastete, ohne auch nur den geringsten Anhaltspunkt zu haben, der ihm wenigstens eine Richtung hätte weisen können …
Katharina von Klingfurth!
Wolf erschrak fast, als er ihrer ansichtig wurde – fast hätte er sie angerempelt. Sie war ihm auf der Treppe entgegengekommen, ohne dass er sie zunächst bemerkt hatte.
„Oh, Ihr scheint nicht gerade sehr erbaut zu sein, mir zu begegnen“, bemerkte sie schelmisch.
Wolf war peinlich berührt. „Verzeiht Katharina, aber ich war in Gedanken. Ich sah Euch nicht kommen.“
„Das habe ich wohl bemerkt“, lachte sie. „Doch Ihr macht in der Tat einen sehr nachdenklichen Eindruck – um nicht zu sagen, einen äußerst bedrückten“, fuhr sie ernster werdend fort. „Gibt es etwas Neues, was den Überfall angeht?“
Wolf schüttelte den Kopf.
„Ich wünschte, es wäre so“, meinte er verdrießlich. „Vielleicht wäre dann auch irgendetwas darunter, was uns weiterbringen würde. Aber es ist leider alles beim Alten – und genau da liegt der Hund begraben.“
„Ich verstehe. Was werdet Ihr also als Nächstes unternehmen?“
Wolf hob die Schultern. „Noch habe ich keine feste Vorstellung. Auf jeden Fall werde ich mir heute noch einmal den Ort der Tat vornehmen, drüben in der Buchau.“
Katharina hob die Brauen. „Habe ich richtig gehört? Ihr wollt in die Buchau? Nun, dann würde ich vorschlagen, dass ich einfach mitkomme. Ich hatte ohnehin vor, nach einigen Kräutern zu suchen.“
Wolf zögerte. Eigentlich hatte er vorgehabt, allein dorthin zu reiten. Um konzentriert nach weiteren Anhaltspunkten zu suchen. Doch irgendetwas in Stimme und Gebaren der Klingfurtherin hielt ihn davon ab, ihr Ansinnen abzulehnen.
„Ein guter Vorschlag. Vier Augen sehen mehr als zwei. Und nach Kräutern werdet Ihr dort bestimmt nicht vergeblich suchen“, stimmte er schließlich zu.
Nur wenig später waren sie auf dem Weg in die Buchau.
Die Unterhaltung, die sie während des Rittes führten, war diesmal, im Gegensatz zu gestern, weniger philosophischer als vielmehr allgemeiner Natur. Später bestimmte jedoch das Ziel, dem sie entgegenstrebten, den Inhalt des Gesprächs.
„Hofft Ihr tatsächlich, am Ort des Gemetzels noch weitere Spuren zu finden?“, fragte Katharina. Ihre Stimme klang auf einmal spröde.
„Ich will einfach sichergehen, dass ich nichts übersehen habe. Bisweilen ist es von Vorteil, sich bestimmte Dinge ein zweites, wenn nötig auch ein drittes Mal anzusehen“, antwortete Wolf.
Sie nickte nur.
Je näher sie dem Ort des Überfalls kamen, desto einsilbiger wurde ihre Unterhaltung, was vor allem an Katharina lag. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete Wolf, wie sich wieder
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