Der Seelenhändler
jene Star-re um die Mundwinkel seiner Begleiterin zu legen begann, die ihre Miene bestimmt hatte, als sie vor drei Tagen mitten in die Gesprächsrunde im großen Saal geplatzt war.
„Es sind die Erinnerungen. Das Ganze ist gerade einmal drei Tage her“, entschuldigte sich die Klingfurtherin, die die Blicke ihres Begleiters sehr wohl bemerkt hatte. Eine gewisse Schärfe lag in ihrer Stimme, nur glaubte Wolf inzwischen zu wissen, dass sie diese immer dann an den Tag legte, wenn sie der Meinung war, sich gegen irgendetwas wappnen zu müssen.
Wolf fühlte sich ertappt.
„Natürlich“, murmelte er daher auch nur; mehr fiel ihm nicht ein.
Bald hatten sie den Ort des Überfalls erreicht, und Wolf stieg aus dem Sattel. Er wies auf den Rand des Weges, dorthin, wo im dichten Unterholz die Leichen der Waffenknechte entdeckt worden waren.
„Seht Ihr, hier fand man die Vorhut. Und weiter hinten stoppte der Wagen“, führte er mit rauer Stimme aus.
„Ja. Und dort hinter der Kehre hat es mich und die drei Herren erwischt“, erwiderte Katharina und deutete nach vorne, wo der Weg eine Kurve beschrieb.
Sie war mittlerweile ebenfalls vom Pferd gestiegen. Prüfend sah sie sich um und versuchte sich mit all ihren Sinnen auf die Umgebung zu konzentrieren. Leise, mit kaum vernehmbarem Rauschen, streichelte eine leichte Brise das mächtige Blättermeer des Waldes, der sich an dieser Stelle vorübergehend zurückgezogen hatte, um einem samtgrünen Teppich Platz zu machen. Abgesehen vom Zirpen der Grillen und dem Gezwitscher einiger Vögel erfüllte einsame sommerliche Stille den Platz. Nichts wies in dieser Idylle mehr auf das grauenvolle Geschehen hin, das sich erst kürzlich hier abgespielt hatte.
Fast nichts.
Denn ihren Blicken bot sich noch ein anderes Bild.
Da war der sandige, mit Steinen übersäte Weg.
Und da waren die Spuren – stumme Zeugen des Überfalls. Zwar vom Regen des vergangenen Tages und der Nacht verwischt, aber immer noch deutlich zu sehen.
Die Abdrücke der schweren Räder hatten sich tief in den Sand eingegraben.
Ebenso die Spuren von Schuhen, Stiefeln und Hufen – ein Durcheinander unzähliger verwaschener Abdrücke.
Spuren – hinterlassen von Opfern und Tätern.
Langsam begann Wolf den Weg abzuschreiten, den Blick konzentriert auf den Boden gerichtet. Hin und wieder ging er in die Hocke, um sich die Abdrücke genauer anzusehen.
Katharina beobachtete ihn dabei und meinte dann nach einer Weile: „Ihr werdet, wie ich sehe, noch eine Zeit lang beschäftigt sein. Ich werde derweil im Wald nach meinen Kräutern suchen.“
Er blickte auf.
„Gut. Aber bleibt in Rufweite und seid vorsichtig. Es gibt hier unberechenbares Schwarzwild, und mit einem Eber ist nicht zu spaßen.“
„Keine Sorge, ich bin behände im Klettern“, erwiderte sie trocken und verschwand im Dämmerlicht des Waldes.
Jählings ließ ihn das Geräusch nach oben fahren.
Er vermochte nicht zu sagen, wie viel Zeit seit Katharinas Eintauchen in den Wald bis zu diesem Augenblick verstrichen war. Aufmerksam hatte er den Weg abgesucht und auf nichts anderes mehr geachtet.
Nun aber hatte ihn das Geräusch unvermittelt in die Gegenwart zurückkatapultiert. Auch wenn er es zunächst nicht zuordnen konnte, sagte ihm sein Instinkt, dass es nichts Gutes bedeuten konnte. Die Sinne zum Zerreißen gespannt, horchte er in Richtung des Waldes.
Da – wieder vernahm er es. Deutlicher diesmal, weil er sich bewusst darauf konzentrierte.
Ein Rufen!
Gedämpft und aus weiter Ferne zwar, doch in regelmäßigen Abständen. Eine Stimme aus der Tiefe des Waldes, die nach ihm rief.
Katharina!
Im Nu durchbrach er das Unterholz und spurtete in den dichten Wald hinein, obwohl er dem Rufen zunächst keine Richtung zuordnen konnte. Es schien von überall und nirgends zu kommen, so, als wolle es ihn narren; das Dickicht aus Stämmen, Ästen und Blättern, die ihm ins Gesicht peitschten, brach den Schall und ließ ihn richtungslos verhallen.
Schnell erkannte er, dass das unkontrollierte In-den-Wald-Hineinpreschen nichts brachte. Abrupt blieb er stehen. Sein Atem ging keuchend und stoßweise. Er versuchte, ihn zu unterdrücken, um besser horchen zu können.
Vor allem aber versuchte er, klar zu denken.
An einen Baumstamm gelehnt, stellte er sich eine Reihe von Fragen.
Was war der Grund dafür, dass Katharina nicht zu ihm zurückkehrte, sondern stattdessen anhaltend nach ihm rief? Hatte sie sich nur verlaufen? Oder steckte etwas anderes dahinter? Je
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