Der Seelenhändler
handelnde Person war Katharina. Ganz im Gegensatz zu den Meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen war sie eine Frau, die sehr wohl auf sich selbst achtgeben konnte und genau wusste, was sie wollte. Und die sich von niemandem davon abbringen ließ, das, was sie wollte, auch durchzusetzen. Eine Kämpferin. Eine Pantherin in der Gestalt eines Engels. Und doch gab es noch eine andere Seite an ihr. Eine überaus empfindsame Seite. Nämlich die eines mitfühlenden, verstehenden, von jenem Liebreiz der Seele durchdrungenen weiblichen Wesens, für das ein Mann alles gibt, was er besitzt. Und so unüberbrückbar dieser Gegensatz auch auf den ersten Blick erscheinen mochte, vereinigte er sich doch auf seltsam harmonische Weise in ihr.
Als sie im kleinen Saal anlangten, bemerkte er, dass der Tisch für das Frühmahl bereits gedeckt war – für zwei, wie er innerlich schmunzelnd feststellte.
Während des Frühstücks plauderten sie über alles Mögliche und beschlossen spontan, sich auch heute Abend wieder im Burghof zusammenzusetzen. Als Wolf ihr eröffnete, dass er am Vormittag noch nach Admont reiten wolle, um Bertram zu besuchen, horchte sie interessiert auf.
„Ich würde ihn gerne einmal kennen lernen. Meint Ihr, dass sich dies einrichten lässt?“
„Natürlich. Wollt Ihr nicht mitkommen?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, Wolf, heute nicht. Der Graf versprach, mir nachher einige Schriften und Bücher zu zeigen, die er in Verwahrung hält. Ein Thomas von Aquin und ein Bonaventura sollen darunter sein.“
„Aha, die beiden befreundeten großen Denker“, sagte Wolf etwas spöttisch.
„Ja“, erwiderte Katharina, „obwohl sie trotz ihrer Freundschaft in mancherlei Hinsicht unterschiedliche Standpunkte vertreten haben.“
Wolf nickte. „Während der von allen so verehrte , doctor angelicus ‘ sich ganz der forschenden Vernunft oder, wenn man so will, dem reinen Wissen verpflichtet fühlte, glaubte Bonaventura, bloße Gelehrsamkeit um ihrer selbst willen ablehnen zu müssen. Die Erforschung Gottes und seines Wirkens mittels der ratio hält er für überflüssig, da seiner Meinung nach allein schon die Betrachtung der Natur dessen Wirken erkennen lässt.“
Katharina sah ihn an. Mit jenem seltsam versonnenen Blick, mit dem sie ihn schon einmal angesehen hatte – an jenem Nachmittag vor zwei Tagen, als sie zum ersten Mal gemeinsam ausgeritten waren und sie ihn nach seiner Identität gefragt hatte.
„Und? Welche Meinung vertretet Ihr? Die des Thomas von Aquin oder die Bonaventuras?“, fragte sie ihn.
Er antwortete mit einer Gegenfrage.
„Habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, wie es der heilige Paulus mit den beiden halten würde, insbesondere mit Thomas von Aquin, der große Stücke auf Aristoteles, einen Heiden, hielt?“
Sie zog die Stirn kraus. „Der Apostel Paulus?“
Jetzt war es an ihm, zu schmunzeln. „Ja, der Apostel Paulus“, wiederholte er. „Sagt er nicht in seiner Epistel an die Kolosser, dass man sich vor jeder Philosophie in Acht nehmen soll, die betrügerischem Gerede gleiche und in Wirklichkeit nur vom Herrn wegführe? Und leugnet der große Philosoph Aristoteles, dessen Lehren Thomas mit denen des Herrn vermischt, nicht das persönliche Wesen Gottes, indem er das Göttliche als etwas Unpersönliches darstellt, als reinen Geist, dessen Denken sich nur auf sich selbst richtet und der sich nicht um die Welt kümmere? Wie vereinbart ein so genannter Diener des Herrn, der noch dazu ein großer Kirchenlehrer sein will, es wohl mit seinem Gewissen, die Ideen und Lehren eines Heiden mit denen des Heilands der Welt zu verknüpfen? Muss sich die römische Kirche, als Hüterin der Heiligen Schrift, die sie vorgibt zu sein, nicht fragen lassen, ob sie es nötig hat, sich griechischer Philosophien, und sei es nur in Teilen, zu bedienen, um Gott und sein Wesen erkennen zu können?“
Obwohl er nach wie vor schmunzelte, war der beißende Sarkasmus in seiner Stimme nicht zu überhören.
Mit offenem Mund starrte Katharina ihn an. Dann begann sie lauthals zu lachen.
„Ihr seid ja fast so etwas wie ein ketzerischer Inquisitor. Wenn es nach Euch ginge, müsste jeder, der Thomas von Aquin oder Aristoteles liest, auf dem Scheiterhaufen enden.“
Wolf schüttelte energisch den Kopf. „Nein, da missversteht Ihr mich gründlich. Ich verdamme niemanden. Es steht keinem Menschen zu, einen anderen zu verfolgen, nur weil er anderer Meinung ist. Es gibt nur einen, der verdammen und endgültig rich-ten
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