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Der Seelenhändler

Der Seelenhändler

Titel: Der Seelenhändler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Orontes
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beeindrucken. Seine Frage, ob sie denn wisse, was dieser Vers bedeute, war nicht ernst gemeint gewesen. Wenn er überhaupt mit einer Antwort ihrerseits gerechnet hatte, dann mit einem eindeutigen „Nein“. Und nun unterlief sie sein Bemühen, mit einer profunden lectio glänzen zu wollen, ganz einfach, indem sie ihm ohne Umschweife die korrekte Übersetzung nannte und ihm damit die Lust an jeder weiteren Erörterung dieses Textes verleidete.
    Er stand da, als habe ihn ein kalter Guss erwischt.
    „Ihr könnt Latein?“, fragte er entgeistert.
    „Ja. So, wie du jetzt aussiehst, scheinst du fast entsetzt darüber zu sein. Eine Frau, die keine Nonne ist und trotzdem Latein beherrscht, kommt dir wohl nicht ganz geheuer vor“, antwortete Katharina leise lachend.
    „Oh, was bin ich für ein Esel, dass ich mir das auch noch ansehen lasse.“ Zerknirscht kratzte sich Bertram am Kopf.
    „Nun, was den Esel angeht, kann ich dich beruhigen“, mischte sich Wolf lachend ein. „Weder Katharina noch ich halten dich für ein Langohr. – Aber nun gib Acht. Ich habe noch eine Überraschung für dich. Hättest du Lust, mit Fräulein von Klingfurth und mir ein wenig zu plaudern? Ich habe in Hall beim Wirt zum Weißen Hirschen eine kleine Nebenkammer bereithalten lassen, wo wir ungestört sind; nur für uns drei.“
    „Mit Euch und der edlen Dame plaudern? Im Weißen Hirschen? Nichts lieber als das. Vorausgesetzt, Bruder Vitus stimmt dem zu.“
    „Darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ich werde ihn davon in Kenntnis setzen, dass du mit mir zusammen das Kloster verlässt und ich dich beizeiten wieder zurückbringe. Damit die Regeln gewahrt bleiben. Er wird sicher nichts dagegen haben.“
    Es war kurz nach der Vesper, als sie das ummauerte Stiftsgelände verließen und das Obere Tor passierten. Noch immer regnete es, doch glücklicherweise war es bis zum Weißen Hirschen nicht allzu weit.
    Kaum hatten sie ihre feuchten Überwürfe abgelegt und Platz genommen, erschien bereits der Wirt. Er trat aus einem Raum, der an die Stube, in der sie sich befanden, grenzte, wahrscheinlich die Küche. Auf einem großen Brett balancierte er Brot, Käse, Geräuchertes und Schmalz nebst mehreren Krügen und einer Kanne voll Wein. Grinsend grüßte er, stellte alles auf dem Tisch ab und verschwand wieder mit einem Augenzwinkern.
    Sie zogen die Messer und begannen ordentlich zuzulangen. Während des Essens kam eine rege Unterhaltung in Gang, die sich allerdings um mehr oder weniger belanglose Dinge drehte. Den Jungen interessierten sie herzlich wenig. Er wartete ungeduldig auf eine Möglichkeit, endlich seinen Hunger nach Neuigkeiten zu stillen. Die kam, als am Ende des Mahls eine kurze Gesprächspause entstand.
    „Sagt, Wolf, es muss doch in den letzten Tagen eine ganze Menge geschehen sein, wollt Ihr mir nicht davon erzählen?“, fragte er erwartungsvoll und streifte mit einem vielsagenden Blick die Klingfurtherin zu seiner Rechten.
    „Und ob, mein Junge“, nickte der.
    In groben Zügen schilderte er daraufhin die Ereignisse der vergangenen Tage und verband damit auch eine ausführliche Vorstellung Katharinas von Klingfurth. Amüsiert stellte er fest, dass Bertram diesem Teil seines Berichtes besonders aufmerksam folgte. Der weitere Verlauf der Unterhaltung ergab, dass der Junge über den Überfall in der Buchau bereits bestens Bescheid wusste. Die Sache hatte sich erwartungsgemäß nicht verheimlichen lassen und war inzwischen das Gesprächsthema in und um Admont.
    Wolf vermied es, während der Schilderung gewisse Einzelheiten preiszugeben, die Bertram nur unnötig belastet hätten. Er erwähnte weder die falschen Pilger noch sonst irgendetwas, das in direkter Verbindung zu dem Mord an Bertrams Familie stand.
    Dennoch ließ es sich nicht vermeiden, dass der Junge im Laufe des Gesprächs an die tragischen Ereignisse erinnert wurde.
    „Die, die den Überfall verübten, sind das auch die, die meine El-tern und Anna auf dem Gewissen haben?“, fragte er mit leiser Stimme, während ein feuchter Glanz in seine Augen trat.
    Wolf schüttelte den Kopf. „Nein, mein Junge. Inzwischen weiß ich, dass dies nicht der Fall ist. Aber ich beschäftige mich mittlerweile mit einer anderen Spur. Vielleicht vermag sie mich weiterzubringen“, antwortete er vorsichtig.
    „Ihr habt eine Spur? Welche?“ Wie zu erwarten, hatte die Bemerkung Wolfs das Interesse des Burschen geweckt.
    Wolf antwortete nicht sogleich. Stattdessen tat er so, als ob er

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