Der Seelenleser
du daraus?«, fragte Roma und biss in ein Croissant. Ihre Augen waren vom Schlafmangel ein wenig geschwollen.
» Was folgerst du daraus?«, gab er zurück.
» Hmmmm.« Sie nippte an ihrem Kaffee, um das Croissant hinunterzuspülen. » Er ist vorsichtig. Er ist bereit, jede Menge Arbeit und Ärger auf sich zu nehmen, indem er jemand von außerhalb dazu bringt, das Risiko zu tragen. Er bezahlt sie wahrscheinlich ziemlich gut und verwendet auch bei ihr ein Alias.«
» Und ich vermute, dass sie nicht die Einzige ist, die er benutzt hat«, sagte Fane.
» Weil er nicht will, dass sie irgendwann zu viel über den Inhalt dieser Akten wissen?«
» Genau. Wenn sie zu viel wissen, bedeuten sie ein zusätzliches Risiko für ihn.«
Roma legte den Rest des Croissants beiseite und putzte sich die Krümel von den langen Fingern. » Dadurch stellt sich eine schwerwiegende Frage«, sagte sie.
Fane nickte. » Wie viele dieser Leute hat er schon › verwendet‹? Und was ist mit den anderen geschehen?«
» Ich glaube nicht, dass er sie einfach so ziehen lässt.«
» Das glaube ich auch nicht. Was er macht, benötigt unheimlich viel Planung. Außerdem Zeit und Geld. Ich glaube, Vera hat recht, wenn sie besorgt ist, dass hier mehr dran ist, als einem zuerst ins Auge springt.«
Roma schob mit ihren Fingern die Krümel zu einem kleinen Häufchen auf dem Teller zusammen, als Fanes Telefon klingelte. Es war Bobby Noble.
» Guten Morgen, Bobby. Ich habe dich auf Lautsprecher gestellt, Roma ist hier.«
» Hi, Süße«, sagte Noble. » Ihr wollt eine kurze Antwort? Ich habe keinen Anhaltspunkt dafür gefunden, dass sich das Leben von Richard Cha und das von Jeffrey Currin irgendwo kreuzen.«
» Du machst Scherze.« Fane blickte zu Roma hinüber.
» Ich habe gar nichts gefunden«, sagte Noble. » Und ich habe den Radius für die Suche schon extrem weit gesteckt. Diese Jungs sind einfach in unterschiedlichen Sonnensystemen unterwegs. Sie haben nichts gemeinsam, keine Geldinstitute, keine Geschäftsverbindungen, keine gemeinsamen Bekannten, selbst auf dritter und vierter Ebene…«
Fane war ehrlich überrascht. Obwohl Vera ihm versichert hatte, dass es zwischen den Frauen keine Verbindung gab, hatte er doch angenommen, dass es zumindest bei ihren Ehemännern eine Überschneidung geben würde.
» Natürlich war dies erst der erste Durchlauf«, sagte Noble. » Wenn du bezüglich eines Aspekts einen starken Verdacht hast, kann ich noch tiefer bohren.«
» Wirklich nichts?«
» Ich kann einfach nichts finden, Marten. Ich schicke dir eine verschlüsselte Kopie von allem rüber.«
» Und Cha ist im Softwaregeschäft?«
» Oh ja. Patente, ein sehr prozessfreudiger Teilbereich des Patentrechts. Lizenzbelange, Patentverletzungsgeschichten, Kreuzlizenzierung. Er stellt Patent-Portfolios zusammen, ziemlich obskures Zeug. Aber er hat Abschlüsse aus Stanford in Jura und Betriebswirtschaft, also ist das auch genau sein Fachgebiet.«
» Gut, und was kannst du uns über Currin sagen?«, fragte er.
» Ich hab nach Sachen mit großen Schwankungen gesucht, nach Dingen mit unglaublichen Profiten und nach Projekten, die Geld vernichten. Das sind die, mit denen er sich beschäftigt. Ich bin dabei auf zwei gestoßen, die mich neugierig gemacht haben. Bei den unglaublichen Profiten gibt es die Currin International Trading Company, die ihren Hauptsitz hier hat. Das globale Bewegen von Gütern wirft einen hohen Ertrag ab. Die Gesellschaft hat ein halbes Dutzend Tochterfirmen über den gesamten Globus verstreut. Indonesien, China, EU , Südamerika. Das Geschäft blüht.
In der Geldvernichter-Kategorie gibt es nur eine kleine webbasierte Gesellschaft in Menlo Park, die so richtig reinhaut. Wenn die noch einmal so einen Vierteljahresbericht abliefern, wird er sie wohl abstoßen. Aber das sind beides keine Sachen, die in unsere Geschichte richtig hineinpassen. Kurz und knapp gesagt: Es gibt keine Warnsignale«, fasste Noble zusammen.
» Danke, Bobby«, sagte Fane. » Ich melde mich wieder bei dir.« Er beendete das Gespräch.
» Was für eine Überraschung«, sagte Roma trocken. » Glaubst du, dass Elise Vera alles erzählt?«
» Nein. Und außerdem erzählt uns Vera auch nicht alles. Das ist ja nur natürlich in ihrer Situation.«
Fane betrachtete Romas leichtes Stirnrunzeln, das er so reizvoll fand wie die anmutige Form ihrer langen Beine.
» Zwei Dinge stechen für mich hervor«, sagte sie. » Zuerst Celia Negri. Falls sie nur eine angeheuerte
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