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Der Seelenleser

Der Seelenleser

Titel: Der Seelenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harper Paul
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und Elises Daten in zwei unabhängigen Fenstern.
    Er besaß die kompletten Akten der beiden Frauen– zwei Jahre Mitschriften von Veras Sitzungen mit Elise und sechs Monate mit Lore. Er verfügte sowohl über die distanziert geschriebenen Protokolle als auch über Veras Arbeitsnotizen, ihre privaten Gedanken und Beobachtungen über ihre Klientinnen und den Fortschritt der Analyse.
    Nicht alle Psychoanalytiker verwenden Arbeitsnotizen, und bei denen, die es tun, gibt es kein festes Muster. Manche benutzen eine eigene Kurzschrift oder nur einzelne Stichpunkte, die dazu dienen, später das offizielle Protokoll zu strukturieren.
    Vera hingegen gehörte zu den wenigen, welche ihre privaten Arbeitsnotizen nutzen, um Sachen zu durchdenken. Die Notizen über ihre Klientinnen waren wie Vignetten, kurze Geschichten, in denen sie ihre Grundgedanken während jeder Sitzung zusammenfasste– beeindruckende Chroniken dunkler Gedanken.
    Er hatte sein gesamtes Berufsleben damit verbracht, die Innenleben von Leuten zu erforschen, damit er sie kontrollieren konnte. Befragung war ein mühsamer Zyklus von Beobachtung, Einschätzung und dem Schaffen von Anreizen. Alle Arten von Täuschung waren seine Feinwerkzeuge. Jeder noch so winzige Spalt im psychischen Verteidigungswall der Zielperson musste ausgenutzt werden.
    Doch Veras Akten waren so komplett und so detailliert gewesen, dass er sich stundenlanges praktisches Herumexperimentieren sparen konnte und direkt an die Auslöser kam, die verwundbarsten Elemente der Psyche ihrer Klientinnen. In den letzten neun Monaten hatte er unglaublich wertvolle Einblicke in die Welt der psychologischen Manipulation gewinnen können. Und im Verlauf seines Projekts hatte er zudem noch einiges an ziemlich verrücktem Sex.
    Inzwischen war er dicht dran, tatsächlich das vollenden zu können, was er bei Britta Weston noch zu inszenieren gezwungen war. Sie war sein erstes Versuchskaninchen aus Vera Lists Akten gewesen, sein ursprüngliches Experiment, um herauszufinden, ob er seine Erfolge aus der Wüste hier wiederholen konnte.
    Doch Britta wäre ihm beinahe entkommen, weil er ihr gegenüber nicht subtil genug war. Er war zu schnell vorgegangen, hatte versucht, sie mit Dingen aus ihrer Akte anzuspornen. Sie hatte zwar nie herausbekommen, woher er seine Informationen hatte, aber anstatt sich seinen Überredungskünsten hinzugeben, flippte sie aus. Plötzlich. Es geschah quasi über Nacht.
    Daher musste er ihren Selbstmord inszenieren. Es gab so wenige Anzeichen dafür in ihrer Akte, und es musste so schnell geschehen, dass er Angst gehabt hatte, dass die Polizei misstrauisch werden würde. Doch die beiden Ermittler der Mordkommission, die mit dem Fall betraut worden waren, waren nicht unbedingt die hellsten Köpfe der Abteilung. Sie war in Psychoanalyse? Nun, dann war sie sicher so eine Durchgeknallte. Er hatte Glück gehabt.
    Obwohl er seinem Ziel jetzt sehr nahe war, war die Situation mit den beiden immer noch heikel. Falls er sie zu schnell zu stark drängte, konnte er eine böse Überraschung wie bei der Weston erleben. Wenn er sie nicht genug drängte, dann verlor er den Vorteil des angesammelten Stresses. Aber immerhin war er auf dem richtigen Weg. Es funktionierte alles. Und er dachte sogar, dass Lore Cha, falls er alles richtig machte, nach ein oder zwei weiteren Treffen so weit sein könnte.
    Sein Mobiltelefon vibrierte auf dem Glastisch. Er schaute kurz zu, wie es brummte und auf der glatten Oberfläche langsam herumrutschte, dann nahm er das Gespräch an.
    » Hier spricht Jenny Cox«, sagte eine Frau mit Zögern in der Stimme. » Habe ich die richtige Person am Apparat?«
    » Was ist los?«
    » Ich hatte eine Besucherin hier im Haus in Mill Valley.«
    Sie wartete wieder auf irgendeine Art der Bestätigung.
    » Na so was«, sagte er. » Und…?«
    » Sie fragte nach Philip Krey.«
    Gegen seinen Willen war er überrascht. Von Anfang an hatte er sorgfältig ausgearbeitete Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Denn in Anbetracht dessen, wer diese Frauen waren, riskierte er sein eigenes Ableben, wenn er sie als Opfer wählte. Dieser Telefonanruf war ein Teil seines Schutzsystems, und die Tatsache, dass er ihn bekommen hatte, bestätigte, dass sein System auch so funktionierte, wie er es geplant hatte: als eine Art Stolperfalle.
    Andererseits bedeutete der Anruf auch, dass er irgendwo einen Fehler begangen hatte. Ein kleines Stückchen seines Sicherheitsmosaiks war ins Wackeln geraten.
    Er wusste die Antwort,

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