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Der Seelensammler

Der Seelensammler

Titel: Der Seelensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donato Carrisi
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Pönitenziare?«
    Sofort wurde er wieder ernst. »Mach nicht den gleichen Fehler!«
    »Wie meinst du das?«
    Schalber schien seinen Satz zu bereuen und versuchte den Schaden zu
begrenzen: »Ich habe dir doch schon erklärt, dass das, was sie tun, illegal
ist.«
    »Tut mir leid, aber das mit der Illegalität überzeugt mich nicht. Da
steckt doch mehr dahinter, oder?«
    Schalber spielte eindeutig auf Zeit. Dass er bei diesem Thema so
wortkarg war, bewies, dass er ihr noch längst nicht alles über die Pönitenziare
erzählt hatte.
    »Na gut … Es ist kein Geheimnis, aber was ich dir jetzt gleich sagen
werde, könnte erklären, warum dein Mann sterben musste.«
    Sandra erstarrte. »Sprich weiter!«
    »Im Grunde dürfte es diese Pönitenziare gar nicht mehr geben … Nach
dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Kirche ihren Orden aufgelöst. In den
Sechzigerjahren erhielt die Paenitentiaria Apostolica neue Regeln und neue Verantwortliche. Das Archiv der Sünden kam unter
Verschluss. Die kriminologischen Priester gaben ihre Arbeit auf. Einige haben
sich gefügt, andere nicht. Sie wurden a divinis suspendiert,
die Unbelehrbaren wurden exkommuniziert.«
    »Wie kann es dann sein, dass …«
    »Warte, lass mich erst ausreden!«, unterbrach Schalber sie. »Als sie
bereits Geschichte zu sein schienen, tauchten die Pönitenziare vor einigen
Jahren plötzlich wieder auf. Deshalb geht man im Vatikan davon aus, dass sich
einige von ihnen dem Dekret des Papstes nur scheinbar gebeugt und heimlich
weitergemacht haben. Und genau so ist es. Der Anführer dieser kleinen
Gruppierung war ein einfacher kroatischer Priester: Luka Devok. Er hat die
neuen Pönitenziare ausgebildet. Vielleicht unterstand er seinerseits jemandem
aus höheren Kirchenkreisen, der diese Form der Pönitenziarie wieder einführen
wollte. Auf jeden Fall war er der einzige Träger einer ganzen Reihe von
Geheimnissen. Nur Devok kannte die wahre Identität aller Pönitenziare. Jeder
von ihnen war nur ihm gegenüber verantwortlich und kannte seine Kollegen
nicht.«
    »Warum sprichst du von ihm in der Vergangenheitsform?«
    »Weil Luka Devok tot ist. Er wurde vor etwa einem Jahr in einem
Prager Hotelzimmer erschossen. Und dadurch kam die Wahrheit ans Licht. Der
Vatikan beeilte sich, den Schaden zu begrenzen, denn die Sache hätte sehr
gefährlich und peinlich für ihn werden können.«
    »Dass die Kirche Skandale vertuschen will, wundert mich nicht.«
    »Aber das ist noch nicht alles: Allein die Vorstellung, dass irgendein
hoher Kardinal Devok all die Jahre geschützt haben könnte, ließ alle erzittern.
Wer sich einem Befehl des Papstes widersetzt, führt ein nicht mehr zu
reparierendes Schisma herbei.«
    »Und wie hat der Vatikan die Situation wieder unter Kontrolle
gebracht?«
    »Sehr gut!«, sagte Schalber lobend. »So langsam verstehst du, wie
das Ganze funktioniert. Sagen wir mal so: Der Vatikan hat Devok sofort durch
einen neuen zuverlässigen Mann ersetzt, durch den Portugiesen Padre Augusto
Clemente. Er ist noch jung, aber sehr erfahren. Die Pönitenziare sind alle
Dominikaner, Clemente dagegen ist Jesuit. Das ist eine andere, deutlich
pragmatischere Denkschule, die weniger zu Sentimentalitäten neigt.«
    »Das heißt, dieser Priester ist das aktuelle Oberhaupt der
Pönitenziarie.«
    »Ja. Aber seine Aufgabe besteht auch darin, herauszufinden, wer die
von Padre Devok ernannten Pönitenziare sind, um sie in den Schoß der Kirche
zurückzuholen. Bisher hat er nur einen entdeckt: den Mann, den du in der Kirche
San Luigi dei Francesi gesehen hast.«
    Aber eines verstand Sandra immer noch nicht: »Gut. Der Vatikan
möchte also so tun, als hätte es nie einen Regelverstoß gegeben?«
    »Genau. Dabei geht es wie immer darum, eine Spaltung zu verhindern.
Was für die Piusbrüder gilt, deren Vertreter schon seit Jahren mit der Kirche
verhandeln, um in ihren Schoß zurückehren zu dürfen, gilt auch für die
Pönitenziare.«
    »Die Pflicht eines guten Hirten besteht darin, verlorene Schafe
nicht im Stich zu lassen, sondern sie in den Stall zurückzubringen«, spottete
Sandra. »Und woher weißt du das alles?«
    »Ich weiß es eben, genau wie David. Aber wir hatten sehr
unterschiedliche Einstellungen zu diesem Thema und haben uns deswegen
gestritten. Als ich vorhin sagte, dass du nicht auch den Fehler machen darfst,
zu nachsichtig mit den Pönitenziaren zu sein, habe ich von David gesprochen.«
    »Weil du recht hattest und er unrecht?«
    Schalber kratzte sich am Kopf.

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