Der Seelensammler
auch das Video im Safe ausgetauscht. Und genau das hat Ranieri
überprüft, bevor er ging … Und jetzt verraten Sie mir bitte eines, Herr Anwalt:
War das Band im Besitz des Privatdetektivs nur eine Kopie oder das Original?«
»Warum fragen Sie mich das?«
»Weil es in Ranieris Auto mit verbrannt ist. Und ohne dieses Band
kann der Gerechtigkeit niemals Genüge getan werden.«
»Was für ein Pech aber auch!«, bemerkte Altieri zynisch.
Marcus musterte den Videorekorder unter dem Flachbildfernseher. »Es
war Ihr Wunsch, nicht wahr? Ihnen hat es nicht gereicht, dass Ihre Frau
ermordet wird, nein, Sie wollten auch noch dabei zusehen. Dafür haben Sie sich
sogar zum Gespött der Leute gemacht: der Ehemann, der während einer Auslandsreise
von seiner Frau betrogen wird, und das noch unterm heimischen Dach, im
ehelichen Schlafzimmer. Bei so etwas sind doch Hohn und Spott vorprogrammiert!
Aber am Ende haben Sie Ihre Rache bekommen.«
»Sie verstehen das nicht.«
»Und ob ich das verstehe: Sie waren von Valeria besessen. Die
Scheidung hat Ihnen nicht genügt, denn Sie hätten sie sonst niemals vergessen
können.«
»Sie war der Typ Frau, der einen um den Verstand bringt. Manche
Männer fühlen sich von ihnen wie magisch angezogen, auch wenn sie genau wissen,
dass sie daran zugrunde gehen werden. Anfangs denkt man noch, wie reizend und
liebevoll sie ist, dabei lässt sie einen am langen Arm verhungern. Irgendwann
begreift man, dass man sich doch noch retten, sich eine Frau suchen kann, die
einen wirklich liebt. Dass man Kinder, eine Familie haben kann. Aber in so einem
Moment muss man sich entscheiden: Ich oder sie.«
»Warum wollten Sie zusehen?«
»Weil es sich so anfühlen sollte, als hätte ich sie selbst getötet.
Genau dieses Gefühl wollte ich haben.«
Damit sie nicht wie eine schöne Erinnerung oder ein mahnendes
Gespenst zurückkehren kann, dachte Marcus. »Also haben Sie sich, wenn Sie
allein zu Hause waren, so wie jetzt, in diesen schönen Sessel gesetzt, sich ein
Glas Cognac eingeschenkt und dieses Band eingelegt.«
»Eine solche Obsession wird man nur schwer wieder los.«
»Und wenn Sie es sich dann angesehen haben – was haben Sie dabei
empfunden? Lust?«
Guido Altieri schlug die Augen nieder. »Ich habe jedes Mal bereut …
dass ich es nicht selbst getan habe.«
Marcus schüttelte nur den Kopf. Wut stieg in ihm auf, die er jetzt
nicht gebrauchen konnte. »Ranieri hat die Auftragsmörder angeworben,
wahrscheinlich irgendwelche Gelegenheitsverbrecher. Die blutigen Buchstaben
waren einfach nur dilettantisch und das Symbol auf dem Teppich reines Glück:
ein Fehler, der die Anwesenheit einer Videokamera hätte verraten können, dann
jedoch zu einem unschätzbaren Vorteil wurde, der alles verkompliziert hat.«
Marcus musste über sich selbst lachen, dass auch er an Satanismus gedacht
hatte, um eine Erklärung zu finden. Die Realität war wesentlich banaler.
»Aber Sie haben alles durchschaut.«
»Hunde sind farbenblind, wussten Sie das?«
»Ja, aber was hat das damit zu tun?«
»Ein Hund kann keinen Regenbogen sehen, und niemand wird ihm je
erklären können, was Farben sind. Aber Sie wissen genauso gut wie ich, dass es
so etwas wie Rot, Gelb oder Blau gibt. Vielleicht gibt es etwas Derartiges auch
für uns Menschen? Vielleicht existieren ja bestimmte Dinge, obwohl wir sie
nicht sehen können. So wie das Böse. Dass es existiert, wissen wir erst, wenn
es sich zeigt. Aber dann ist es schon zu spät.«
»Kennen Sie das Böse?«
»Ich kenne die Menschen. Und die Anzeichen dafür.«
»Welche denn?«
»Kleine nackte Füße, die in Blut treten …«
»Raffaele hätte an diesem Abend gar nicht zu Hause sein sollen«,
sagte Altieri aufbrausend. »Er hätte bei Valerias Mutter sein sollen, doch sie
war krank. Ich wusste das nicht.«
»Aber er war nun mal zu Hause und ist zwei Tage lang dort geblieben.
Allein.«
Der Anwalt schwieg, und Marcus merkte, wie weh ihm die Wahrheit tat.
Es freute ihn, dass der Mann noch ansatzweise in der Lage war, so etwas wie
Menschlichkeit zu spüren.
»In all den Jahren hatte Ranieri die Aufgabe, Ihren Sohn, der den
Mord an seiner Mutter aufklären wollte, auf falsche Fährten zu locken. Aber
irgendwann bekam Raffaele seltsame anonyme Briefe, die versprachen, ihm die
Wahrheit zu eröffnen. Und einer davon hat ihn zu mir geführt«, sagte Marcus,
ohne zu verstehen, warum er in diese Geschichte verwickelt worden war. »Als
Erstes hat Ihr Sohn den Detektiv entlassen. Vor
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