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Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Der Seerosenteich: Roman (German Edition)

Titel: Der Seerosenteich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Pfannenschmidt
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Blätter sich, als lägen sie unter gefrorenem Dampf, der Länge nach zusammengerollt hatten.
    Das Licht betupfte die Kissen letzter Veilchen, die nun erfroren waren, die Akeleien, die aussahen wie erstarrte Glockenspiele, den schmalen, moosigen Weg, der zum Haus führte, das Gartentor, den Holzzaun, der von knospenden Heckenrosen überwuchert war. Alles wirkte friedlich, fast verzaubert.
    Drinnen saßen sich Ida und ihre Freundin Gretel in Ohrensesseln gegenüber und redeten miteinander, seit Stunden schon. Die Tür hatten sie einen Spaltbreit offengelassen, die Dielenuhr schlug elf. Vor dem Zubettgehen hatte Isabelle ihre Mutter gebeten, auch die Tür zu ihrem Zimmer angelehnt zu lassen. Seit dem Tod ihres Vaters schlief sie unruhig, träumte viel und fürchtete sich manchmal.
    Gretel nahm aus der großen englischen Tasse, die sie zwischen den Händen hielt, langsam und schlürfend einen Schluck Kamillentee und hörte ihrer Freundin zu.
    «Das glaubst du doch selber nicht, Gretel», sagte Ida. «Die Lenkwitzens sind weiß Gott keine Samariter, weiß Gott nicht. Das haben wir ja nun in den letzten Jahren zur Genüge erfahren. Hermann war über zehn Jahre bei denen auf dem Hof, hat die Tiere versorgt, seine Arbeit als Melkmeister gut gemacht. Sehr gut. Kein Wort des Dankes in all der Zeit. Kein Extra, nicht mal ein Entgegenkommen wegen der Miete hier ...», sie blickte sich um, als habe der Raum sich verändert, «oder eine Pachtermäßigung, als sie genau wußten, wie schlecht es uns finanziell geht. Nichts.» Sie machte eine Pause, hing ihren Gedanken nach, schüttelte den Kopf und fügte dann kurz und bestimmt hinzu: «Nein, nein.»
    Ida nahm ihr Taschentuch, das sie wie immer in die Ritze des Sessels gestopft hatte, und schneuzte sich. Sie hatte ihr Kleid ausgezogen und war, um es sich gemütlicher zu machen und weil sie sich in Gegenwart ihrer Freundin wohl fühlte, in einen Hausmantel geschlüpft. Seit ein paar Tagen lag ihr Mann nun unter der Erde. Es war ein würdiges Begräbnis gewesen, auf der Friedhofsanhöhe hinter der Dorfkirche. Fast alle Nachbarn waren gekommen. Die Familie von Lenkwitz hatte sich nicht von Albershude herüberbemüht, das war allen aufgefallen. Immerhin hatten sie einen schönen Kranz geschickt: Für unseren treuen Hermann Corthen als letzten Gruß.
    Ein Blumenmeer wogte auf dem Grab. Pastor Petersen hatte eine schöne Abschiedsrede gehalten. Anschließend hatte Ida die Trauergemeinde in den Festsaal von Schmidts Gasthof gebeten, zu Butterkuchen und Kaffee. Es war feierlich zugegangen und später, nach vielen Schnäpsen, sogar fröhlich.
    Johanna Kröger, die nach alter Sitte die Totenfrau gewesen war, jene Frau, die im Ort herumging und allen von dem Todesfall berichten mußte, war am Ende so betrunken, daß Fritz sie in einem seiner Fremdenzimmer hatte übernachten lassen. In kleinem Kreis – Doktor Eggers war auch dabeigewesen – war man dann zu Ida nach Hause gegangen, hatte bis in die Nacht zusammengehockt und sich erinnert, an Hermann, an früher, an die guten Zeiten.
    Tags darauf mußte Gretel zurück nach Hamburg, aber sie hatte Ida versprochen, am Wochenende wiederzukommen und ihr beim Regeln der Dinge und beim Sichten der Sachen zur Seite zu stehen. Von allen Freunden kannte sie Ida am besten und wußte, wie man ihr helfen und sie wieder ein wenig aufrichten konnte. Wie bei den meisten Frauen hatten Tod und Trauer und der Wandel von der Ehefrau zur Witwe auch bei Ida die Angst ausgelöst, in Not zu geraten, ja, sie fürchtete sogar, künftig völlig mittellos dazustehen und auch das Dach über dem Kopf zu verlieren.
    Gemeinsam mit Gretel hatte sie ihre wirtschaftliche Situation überprüft und war zu dem Schluß gekommen, daß ihre Sorgen begründet waren. Hermann hatte sie mit einem Batzen Schulden zurückgelassen. Ihre Witwenrente würde nur sechzig Prozent der Rente ihres Mannes betragen – zuwenig, um davon leben und ein Kind großziehen zu können, zuwenig, um die Miete für das Haus und die Pacht für den Acker dahinter zahlen zu können. Sie würde arbeiten gehen müssen. Aber weder in Luisendorf noch in Albershude gab es etwas für eine Frau wie sie zu tun. Gretel hatte daraufhin eine gute Idee gehabt, und als sie nun zum zweiten Mal nach Hermanns Tod aus Hamburg gekommen war, hatte sie sogar eine Lösung parat.
    Doch Ida winkte ab. Das war ganz und gar unmöglich. «Schon wegen des Kindes», erklärte sie. «Wir können hier nicht einfach so wegziehen ... das Dorf

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