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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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nichts. Sie fuhr sich mit der Zunge über die hennagefärbten Lippen, die in dem ungewissen Licht schwarz wie Ebenholz waren. »Ich liebe dich auch, Huy«, flüsterte sie und kam so dicht heran, dass er den Wein in ihrem Atem riechen konnte. »Ich habe dich beinahe so lange geliebt wie du mich. Doch was soll ich machen?« Sie seufzte schwer und legte ihre Hand auf seine Brust. »Ich muss eine brave Tochter sein. Ich muss das Versprechen einlösen, das mein Vater gegeben hat, als ich noch ein kleines Kind war.« Huy fühlte, wie sich ihre Finger um das Sa schlossen. Sie waren kalt.
    »Du kannst immer noch nein sagen«, flüsterte er eindringlich. »Du kannst dich jetzt hier mit mir verloben, und nächste Woche komme ich, und wir gehen zusammen weg. Ich kann leicht irgendwo weit weg von Iunu Arbeit finden. Das wird ein Abenteuer, Anuket.«
    Sie schob das Sa sanft über die feuchten Falten seiner Tunika. »Obwohl ich volljährig bin, brauche ich die Erlaubnis meines Vaters zum Heiraten. Soll ich mit dir ohne Vertrag und ohne den Segen der Götter zusammenleben? Willst du mich als deine Hure, Huy?«
    Wie wild ergriff er die streichelnde Hand, zog sie weg von dem Amulett und riss Anuket an sich. Mit der anderen Hand packte er ihr Haar, sodass ihr Kopf nach hinten flog. Doch sie schrie nicht auf. Stattdessen umspielte ein feines Lächeln die Ebenholz-Lippen. Huy drückte seinen Mund auf ihren und küsste sie mit der ganzen angestauten Gewalt des Abends. Sein Körper war steif, ihre Zähne schlugen gegeneinander. Er spürte ihren Körper, die kleinen, festen Brüste, die leichte Erhebung ihres Bauchs, ihre harten Schenkel. Sie entzog sich ihm nicht, aber sie reagierte auch nicht. Er wollte ihr Haar zerzausen, sie ins Gras werfen, ihr einen Ton, irgendeinen Ton entlocken, aber sie blieb teilnahmslos, die Finger, die er quetschte, wurden nicht wärmer. Schließlich ließ er seine Arme sinken. Anuket betastete ihre Lippen. »Du behandelst mich grob«, sagte sie.
    Unversehens verschwand die Hitze der Begierde und der Verzweiflung. Huy drehte sich um und verließ Anuket ohne ein weiteres Wort. Am Tor weckte er die Träger. »Bringt die Sänfte zurück in den Tempel«, befahl er knapp. »Ich möchte laufen.« Sie gehorchten mit offenkundiger Erleichterung, und Huy machte sich auf den Weg, zunächst am Fluss entlang, dann folgte er einer ausgefahrenen Straße hinein in die Stadt.
    Die Nacht war weit fortgeschritten. Die ehrbaren Bürger waren längst zu Hause, und viele von ihnen schliefen auf den Dächern, um die Kühle zu genießen. Iunu gehörte jetzt den Soldaten, den Huren und den unermüdlichen Müllsammlern, die die schmalen Gassen durchstreiften und nach allem Ausschau hielten, was es wert war, aufgehoben zu werden. Huy stapfte durch die düsteren Straßen, achtete nicht auf den fröhlichen Lärm und die Lichtkleckse, die aus den Bierhäusern drangen, und merkte auch nicht, dass sie rasch weniger wurden und dunklen Häusern vor dem noch dunkleren Himmel Platz machten. Gelegentlich stolperte er über die getrockneten Hinterlassenschaften eines Esels oder Steine im festgetretenen Lehm der Straßen. Und manchmal stand er im Gras vor einem leeren Schrein.
    Sein Blick war nach innen gerichtet, wo er Nachts mitleidige Augen sah, wo er sich selbst würdelos betteln hörte, wo Anukets Körper sich nicht gegen seinen lehnte und ihre Lippen steif und kalt blieben. So kalt! Sie liebt mich nicht. Seine Füße hämmerten den Rhythmus der verdammten Worte. Er fühlte sich alt und verbraucht, sein Körper spiegelte den Schmerz in seinem Herzen mit dem plötzlichen Versagen eines Wadenmuskels, dem Krampf in den Gedärmen.
    Zwei Stunden vor Tagesanbruch fand er sich in der Nähe von Henenus Haus wieder. Durch diese Straße war er schon einmal gegangen. Er erkannte die schäbigen Häuser und auch das Mädchen, das auf einem Hocker saß und sich neben einem flackernden Kerzenstumpf gähnend an eine Mauer lehnte. Es war die junge Hure, die ihn an Anuket erinnert hatte, ehe sie ihre üppige Brust entblößt und ihn lüstern angegrinst hatte. Damals war er angeekelt gewesen. Nun ging er zu ihr hin. Das ist kein Zufall, sagte er sich schleppend. Das ist Schicksal, mein Schicksal, das ich jetzt in meine Hände nehmen werde.
    Sie stand nicht einmal auf, als er näher kam. Ihre Hände lagen in ihrem gelben Schoß. Doch als sie ihn ansah, stieg ein Wiedererkennen in ihren dick mit Kajal nachgezeichneten Augen auf. »Ich kenne dich«, sagte sie mit

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