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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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verraten haben, denn sie hob kurz einen Mundwinkel.
    »Grün bedeutet Wachstum und Erneuerung, Huy«, sagte sie. »Es ist eine machtvolle Farbe. Geht es dir gut?«
    Mit einem innerlichen Seufzer nickte Huy. »Sehr gut, Rechet, danke. Ich hoffe, es geht auch dir gut.« Er wandte sich bewusst wieder dem Oberpriester zu. Sein Herz begann zu rasen. »Meister, ich werde diese Kammer nicht beziehen«, sagte er laut. »Für deine Güte mir gegenüber stehe ich tief in deiner Schuld, und deine Fürsorge kann nie vergolten werden. Ich weiß, dass ich dir nahezu mein Leben verdanke, und ich bitte aus tiefstem Herzen um Verzeihung, aber ich kann nicht hierbleiben und für dich arbeiten. Ich habe den Oberpriester Methen gebeten, mir eine Stelle als Schreiber zu geben, und möchte Iunu so rasch wie möglich verlassen.«
    Ramose war verwundert. »Iunu verlassen? Warum? Was willst du damit sagen?«
    »Ich sage, dass ich dein großzügiges Angebot nicht annehmen kann. Ich möchte nach Hut-Herib zurückkehren.«
    »In diese schmutzige kleine Stadt? Wozu? Huy, deine Laufbahn ist dort beendet, ehe sie überhaupt angefangen hat! Ich weiß, wie sehr dich Nacht betrübt hat. Mir ist klar …«
    Huy unterbrach ihn. »Dann hast du von meiner Demütigung gehört. Ja, Meister, Nacht hat mich tief verwundet – aber es ist mehr als das. Ich habe zwölf Jahre in Res Tempel verbracht, glückliche Jahre, aber auch turbulente. Da waren der Isched-Baum und das Mysterium des Buches, und ich bin müde. Tief in mir spüre ich das dringende Bedürfnis nach Ruhe. Ich möchte in aller Ruhe bei Methen leben.«
    »Wenn du müde bist, dann erhol dich noch für den Rest der Nilschwemme«, schlug Ramose vor. »Besuch deine Familie. Verbring ein paar Wochen bei Methen. Du klingst wie ein alter Mann, nicht wie ein Sechzehnjähriger voller Saft und Kraft. Ich habe dir in letzter Zeit zu viel Arbeit zugemutet.« Er beugte sich vor. »Und was ist mit deiner Gabe, Huy? Henenu und ich sind sicher, dass sie sich nun, nach dem Ende deiner Schulzeit, wieder regen wird. Du brauchst unsere Hilfe, um sie zu beherrschen, zu kanalisieren und einzusetzen …«
    »Zum Wohl Ägyptens?«, beendete Huy den Satz für ihn. »Nein, Meister. Das Wohl dieses Landes ist mir egal, gerade jetzt. Es gibt kein Gesetz, mit dem du mich zum Bleiben zwingen kannst. Ich muss gehen. Ich bitte dich, gib mir deinen Segen.« Er hielt Ramose Methens Brief hin, der nahm ihn, ging zum Tisch und entrollte ihn.
    Huy und Henenu sahen sich schweigend an. Schließlich sprach die Rechet: »Ich trage dir zu Ehren heute Grün, für dein Wachstum und deine Erholung, nicht meine. Ich bin heute Morgen mit dem bestimmten Gefühl erwacht, dass du beschlossen hast, Ramoses Angebot abzulehnen. Ich habe nach schlechten Omen Ausschau gehalten, aber keine entdeckt, also entspricht es Atums Willen, dass du uns verlässt. Ramose wird eine Weile gekränkt sein.«
    Ihre selbstgefälligen Worte verärgerten Huy auf merkwürdige Weise. »Ich habe nicht über Atums Wünsche nachgedacht, als ich meinem Freund geschrieben habe«, entgegnete er. »Ich habe mich gerechtfertigt, Rechet.«
    Sie lächelte fein. »Du bist verärgert über mich. Genauer: Alles, was mich, Ramose und diesen heiligen Bezirk angeht, fängt an, dich wütend zu machen. Das ist ein Zeichen, dass du weiterziehen musst. Aber glaub nicht, dass du deiner Bestimmung entgehen kannst, indem du dich in Hut-Herib vergräbst. Atum ist genauso wenig wie Re an Iunu gebunden.«
    Huy hatte tatsächlich die vage Hoffnung gehegt, mit seiner Flucht aus Iunu würde er Atum – über dem Isched-Baum und dem Buch schwebend – hinter sich lassen. Er wurde rot. »Verzeih mir, Rechet. Meine Unzufriedenheit ist wie eine Krätze, die sich über meinen Körper ausbreitet. Ich will mich nur noch kratzen.«
    Sie lachte. »Nicht Unzufriedenheit«, verbesserte sie ihn. »Es ist der dringende Wunsch, wegzulaufen, der dich verzehrt. Mach dir darum keine Sorgen, Huy. Geh zu Methen, und finde die Ruhe, die du brauchst.«
    Der Oberpriester rollte den Papyrus zusammen und gab ihn Huy schwer atmend zurück. »Ich bin nicht einverstanden, ganz und gar nicht. Methen ist weise, wenn er dir vorhält, dass du in Hut-Herib keine Zukunft hast, keine Möglichkeit, voranzukommen. Deine Ausbildung war umsonst.«
    »Das glaube ich nicht«, mischte sich Henenu ein. »Lass ihn ziehen, Ramose. Egal, was du denkst, er kann sich nirgendwo verstecken, wo Atums Schatten hinfällt.« Erst jetzt trat sie an Huy

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