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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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lagen. Trotz der reinigenden Glut der Sonne, die alles Verderbliche verbrannte, war der Modergestank überwältigend. Huy setzte vorsichtig seinen Beutel ab, ärgerte sich, dass er die Handschuhe nicht dabei hatte, die in seiner Kleiderkiste lagen, und fing an, den Müll zu durchsuchen. Plötzlich wurde ihm klar, dass sich rechts von ihm die Viehverschläge befanden und die Schlachtstätte lag, über die er vor langer Zeit, vor Hentis, vor Pabast davongekrochen war. Als hätte ihn die Erinnerung heraufbeschworen, hörte Huy seine Stimme hinter sich.
    »Du hast also Lust auf Abfall an diesem drückend heißen Tag, Meister Huy?« Huy fuhr herum. Der Diener lächelte ihn tatsächlich an! »Ich habe gehört, dass du uns verlässt und zu deinen bäuerlichen Wurzeln zurückkehrst«, fuhr Pabast fort. »Du bist krank. Mir hat es nichts ausgemacht, dich zu bedienen. Ich habe zugesehen, wie du von einem selbstsüchtigen kleinen Burschen zu einem höflichen jungen Mann mit großer Zukunft herangewachsen bist. Und jetzt willst du zurück nach Hause. Da hätte ich dich die letzten zwölf Jahre genauso gut unrasiert und ungekämmt lassen und mir eine Menge Arbeit sparen können. Komm mit.« Er marschierte los, und Huy folgte ihm argwöhnisch. Pabast konnte den kleinen Jungen in ihm immer noch einschüchtern.
    Zurück im Küchenbereich, holte Pabast einen leeren Topf, ein Messer samt Schleifstein und einen Löffel aus gebranntem Ton und schob sie Huy zu. »Pack sie in deinen Beutel«, befahl er. »Und warte hier.« Huy gehorchte, Pabast verschwand Richtung Dienerquartiere und kam bald mit etwas zurück, das in grobes Leinen gewickelt war. »Eines meiner alten Rasiermesser«, erklärte er knapp. »Es muss ständig geschärft werden. Eine Pinzette und ein Messer für die Haare musst du dir selbst besorgen, die kann ich nicht entbehren. Obwohl das Messer bei dir sowieso überflüssig ist«, fügte er mit einem missbilligenden Blick auf Huys lange Zöpfe hinzu. »Hast du Salz?« Verwirrt schüttelte Huy den Kopf. Pabast ging zu einer Schüssel, die auf einem der langen Tische stand, holte aus den Falten seines Schurzes ein kleines Kästchen hervor, füllte es und gab es Huy. »Du warst immer leicht verrückt«, schloss der Mann schroff, »aber du hast mich respektvoll behandelt. Ich glaube nicht an den Unsinn, dass du der Auserwählte und der Wiedergeborene bist. Die Priester können so verrückt sein wie eine Frau bei Vollmond. Geh mit den Göttern, Huy. Raste nicht zu dicht am Wasser. Trink nicht von der Nilschwemme. Bleib beim Bier.« Er drückte Huy eine kleine versiegelte Flasche in die schon vollen Arme. »Und glaub nicht, dass ich dich vermissen werde. Im Lauf der Jahre habe ich Hunderte von Jungen bedient.« Er grinste – ein Ausdruck, den Huy nie zuvor auf seinem Gesicht gesehen hatte. Die heitere Variante seiner gewohnten Mürrischkeit. »Aber ich werde deinem Nachfolger viele Geschichten über den Jungen erzählen, der einst in derselben Kammer wie der edle Thutmosis geschlafen hat.« Damit schritt er davon und verschwand im Schatten der Dienerkammern. Er hatte Huy nicht die Zeit gelassen, sich zu bedanken.
    Huy ging zurück in seine Kammer. Irgendwie wirkte sie bereits abweisend, obwohl sein größerer Beutel noch auf seiner Kiste stand. Huy packte die Sachen, die ihm Pabast gegeben hatte, auf die Lebensmittel im kleineren Beutel und setzte sich auf die Matratze, weil ihn die Kraft verließ. Es gab niemanden, von dem er sich noch verabschieden konnte. Die Schule war natürlich leer, und die Priester waren für ihn keine Individuen, sondern eine weiß gekleidete Masse. Huy blieb sitzen, sehnte Thutmosis herbei, sehnte sich nach einem weiteren Tag im Schutze des Unterrichtssaals, sehnte sich nach der Kindheit. Aber ohne Sennefer, rüttelte er sich selbst wach. Huy, du Narr, möchtest du diese Zeit wirklich noch einmal erleben? Selbst jetzt kannst du nicht ohne Schaudern daran denken, und danach kommt das Buch Thot, das wie die Nilschwemme durch deine Gedanken schwappt, schwer und schön und immer noch unbegreiflich.
    Er glitt vom Bett, zog seine alten Sandalen an, hing die Beutel rechts und links um seinen Hals und schulterte die Kiste. Sie war nicht allzu schwer, aber er fragte sich, wie weit er laufen konnte, ehe sich ihre Ecken in sein Fleisch graben würden. Ich hätte Pabast um ein Seil bitten sollen, um sie auf dem Rücken zu tragen, wies er sich missmutig zurecht. Nun gut. Ich kann nicht länger warten. Allmählich

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