Der Seher des Pharao
nimmt sich auch, was er braucht«, antwortete sie ruhig. »Er besorgt sicher mehr Soda, Öl und anderes, als der Tempel benötigt, sodass sein eigenes Haus ebenfalls versorgt ist. Diener machen das so.« Aus ihrem Mund klang das wie eine Tugend.
»Deiner Mutter würde es nicht im Traum einfallen, so etwas zu tun!«, hielt Huy dagegen. »Und meine Mutter würde das auch nicht zulassen.«
»Nein, aber deine Mutter ist meiner Familie gegenüber immer sehr großzügig.« Sie schob ihm den schweren Korb zu und schwang den Besen. »Hier. Trag ihn mir bitte.« Huy gab auf, nahm den Korb und folgte ihr durch den Hof.
Der Gärtner grüßte sie, als sie zum Tor kamen. Er war ein alter Mann mit faltigem Gesicht und dem gebeugten Rücken und verschmutzten Händen seines Metiers. »Meister Huy, Schreiber des Oberpriesters?«, fragte er, als er herankam. »Ich habe Tünche für dich. Der Oberpriester hat auch gesagt, dass du meinen Eselskarren brauchst, um Möbel aus dem Tempellager zu holen. Jetzt gleich passt das gut, später am Nachmittag muss ich Wasser in den Tempel bringen. Komm mit.« Er führte sie vor das Tor, wo ein gelangweilt wirkender Esel vor einem Karren stand. »Sie heißt Freundlichkeit«, erklärte er und gluckste, als ihm das Tier einen schrägen Blick zuwarf. »Sie ist die Freundlichkeit selbst, solange sie nicht arbeiten muss. Versuch nicht, sie zu schlagen. Dann stemmt sie die Hufe in den Boden, und keine Macht der Welt kann sie bewegen. Viel Glück.«
Huy sah wütend zu, wie der Gärtner wieder im Tempelbezirk verschwand. »Ich habe keinerlei Erfahrung mit Eseln«, murrte er. Doch Ischat war schon dabei, die weiche Nase des Tiers zu streicheln und sanft mit ihm zu reden. Sofort stupste es sie. Sie fuhr mit dem Finger unter den Lederzaum und grinste Huy an.
»Wir sind bereit«, sagte sie. »Wo ist das Lagerhaus? Stell den Korb in den Karren, neben den Besen. Und wir dürfen unsere Sachen in Methens Haus nicht vergessen.«
Huy führte sie und ihre fügsame Freundin hinter das Heiligtum. Sie luden die für Huy bestimmten Möbel auf den Karren. Ischat war nicht sonderlich beeindruckt von ihnen. »Schau, von der Göttin blättert das Gold ab!«, sagte sie, als das Bett an der Reihe war. Sie fasste einen Goldstreifen mit den Fingernägeln und zog ihn herunter. »Sicher gibt es etwas Besseres.«
Doch diesmal war Huy unnachgiebig. »Es wird nichts mehr gestohlen, Ischat. Das ist mein Ernst. Wenn du nicht gehorchst, schicke ich dich nach Hause. Wir dürfen noch ein Bett für dich aussuchen und sonst nichts.«
»Schon gut.« Einmal mehr ehrte sie ihn mit einem breiten Lächeln. »Das macht Spaß, nicht wahr, Huy?«
»Du hast Staub auf der Wange und eine tote Spinne im Haar«, erwiderte er. »Halten wir Ausschau nach etwas, worin du schlafen kannst.«
Sie war begeistert, als Huy ein auf ein Drittel zusammenfaltbares Reisebett entdeckte. Die dazugehörenden Bretter und eine fleckige Matratze waren darunter gestapelt. »Sieh nur!«, sagte sie und klappte es auf und wieder zu. »Ich habe noch nie ein solches Bett gesehen. Kann ich es haben, Huy, ja?«
»Natürlich.« Er hob es ohne Mühe hoch und trug es in den Wagen. »Es ist ein Reisebett, wie es die Adeligen in den Schiffskabinen oder in Zelten benutzen. Wer weiß, aber es ist gut möglich, dass sich zuletzt eine Prinzessin auf dieser Matratze zur Ruhe gebettet hat. So, jetzt müssen wir noch die Tünche von dem Gärtner holen.«
»Bei diesen Lampen wird das Öl auslaufen«, sagte sie über die Schulter auf dem Weg zurück über den Hof. »Ich kann die Sprünge zwar mit Matsch abdichten, aber sobald er trocken wird, bröselt er heraus. Wir brauchen neue Lampen. Nicht aus Ton. Alabaster wäre wunderbar. Könnte dein Freund in Iunu dir Alabasterlampen schenken, Huy? Und ich habe auch keine Laken für mein Reisebett.« Sie sagte das mit einem unschuldigen Stolz, der eine völlig andere Ischat zeigte als die, die in der Küche dreist stibitzt hatte, was sie wollte. Huy war entwaffnet.
»Methen hat mir Laken und ein Kissen für mein Bett versprochen. Du kannst sie haben, Ischat. Da ist der Gärtner. Ich kümmere mich um die Tünche, hol du unser Gepäck.«
Methen hatte bereits zwei Laken, ein Kissen und zwei Decken neben ihre Sachen gelegt. Bis sie den Karren ausgeladen und dem Gärtner zurückgebracht hatten und wieder in ihr Haus zurückgekehrt waren, neigte sich die Sonne dem Untergang zu. Sie setzten sich auf die schlichten Stühle und aßen das Brot und
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