Der Seher des Pharao
Bronzetöne, ließ ihr schwarzes Haar glänzen und färbte ihr Kleid rosa. »Kennst du die Bedeutung jetzt? Hast du sein Geheimnis gelüftet?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Manchmal meine ich, das Rätsel entwirre sich, aber dann wache ich auf. Den Text behalte ich aber.«
Ischat zuckte mit den Achseln. »Wir haben jetzt Pachons. Den ersten Monat von Schemu. Es wird allmählich wärmer. Vielleicht haben deine Träume etwas mit der Jahreszeit zu tun?«
Huy lehnte sich seufzend zurück. »Ich glaube nicht. Ich fürchte, sie kündigen eine Veränderung in meinem Leben an.«
Sie sah ihn erschrocken an. »Sag das nicht, Huy! Jetzt haben wir uns hier endlich eingelebt! Deine Arbeit ist gut. Ich habe Nähzeug, wir konnten die beiden undichten Lampen durch neue Tonlampen ersetzen. Es geht uns immer besser.« Sie stand abrupt auf, und der Sonnenfleck auf dem Boden wurde von ihrem Schatten unterbrochen. »Du willst doch nicht wieder nach Iunu gehen, oder? Lässt du mich hier zurück?«
Es war ihm nicht klar gewesen, wie unsicher sie sich fühlte. »Nein. Ich gehe nicht wieder nach Iunu. Und ich würde dich nie zurücklassen, Ischat«, protestierte er erschöpft. »Hier geht es nicht um uns beide – es geht nur um mich. Eine Veränderung in meinem Inneren. Es geschieht etwas.«
Sie antwortete nicht, sondern hatte die Arme verschränkt und sah ihn schweigend an, bis der Glanz der Abendsonne hinter den Häusern auf der gegenüberliegenden Seite der staubigen Straße verschwand.
Weder Methen gegenüber noch in seinen Briefen an die Rechet erwähnte er etwas davon. Es war ihm nicht klar, warum er sich Ischat und nicht ihnen offenbart hatte. Er hoffte wohl, dass die Träume vielleicht aufhören würden und er dann zu viel Aufhebens bei seinen reiferen Freunden gemacht hätte und anmaßend oder – schlimmer noch – weinerlich erscheinen würde. Nachdem er in Iunu und Chmunu ständig im Mittelpunkt des Interesses gestanden hatte, genoss er seine Anonymität.
Doch zwei Monate nach dem Gespräch mit Ischat, als die Ernte bereits in vollem Gang war, wurde Huy auf der Straße angesprochen. Er wollte zur Arbeit im Tempel gehen, als sich ihm ein Mann in den Weg stellte. Mit einer gemurmelten Entschuldigung wollte Huy ausweichen, doch der Mann hielt ihn mit seinem ausgestreckten Arm auf.
»Du bist der, der im Haus der Toten wieder zum Leben erwacht ist«, sagte der Mann. »Alle glaubten, du wärst von einem Dämon besessen, aber eine Rechet kam und erklärte dich frei von bösen Geistern. Ich habe dich schon einmal gesehen, draußen bei den Blumenfeldern.« Huy lächelte höflich, nickte zum Abschied und wollte auf die andere Straßenseite gehen. Doch der Mann packte ihn am Arm. Huy bekam Angst. Es gab nur wenige Verbrechen in Hut-Herib, in der Mehrzahl Diebstähle und nächtliche Schlägereien, wenn die Bierhäuser schlossen, sodass die Polizei tagsüber selten durch die Straßen ging. Ein rascher Blick die Straße entlang zeigte Huy, dass keine Hilfe in Sicht war.
»Bitte lass mich gehen«, sagte er bestimmt und versuchte, seinen Arm loszumachen. »Was in meiner Kindheit passiert ist, geht dich nichts an.« Der Mann gab seinen Arm frei, und Huy wollte losrennen, doch zu seinem Entsetzten fiel der Wegelagerer vor ihm auf die Knie und hob flehentlich die Hände. Die Menge, die die Straße bevölkerte, wurde langsamer. Manche wichen Huy und seinem Plagegeist mit ungeduldigem Grunzen aus, doch die meisten blieben stehen und starrten sie neugierig an.
Huy packte die erhobenen Hände und zog den Mann auf die Füße. »Wenn du mich weiter belästigst, schlage ich dich zusammen!«, zischte er. »Ich kennen dich nicht und will dich nicht kennenlernen. Jetzt lass mich vorbei.« Sofort bereute er seine Worte und fragte sich, ob der Mann vielleicht unter dem Schutz der Götter stand, doch in seinen Augen war kein Wahnsinn zu erkennen – nur Angst und Qual.
Der Mann bewegte sich nicht. »Du musst mir helfen, edler Herr«, sagte er eindringlich. »Mein Name ist Iri. Meine Tochter ist sehr krank, und der Arzt kann nichts für sie tun. Er sagt, dass sie sterben wird. Ich habe nach einem Priester geschickt, damit er mit seinem Gesang den Fieber-Dämon aus ihr treibt, aber ich glaube nicht, dass seine Lieder nützen werden.«
Huy hätte ihn am liebsten geschüttelt. Seine eigene Angst wuchs. Ursache dafür war nicht diese ärgerliche Begegnung, sondern die Vorahnung drohenden Verhängnisses. Etwas, das er nie wieder haben wollte,
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