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Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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hinter ihn. Er spürte, wie sie seinen Zopf löste und mit einem Kamm und ihren Fingern durch seine Haare glitt. Die Bewegung war angenehm besänftigend.
    »Es war schwierig, die Menge beim Tempel zu zerstreuen«, sagte sie nach einer Weile. »Die Leute wollten nicht gehen. Sie murrten. Wenn Methen nicht gekommen wäre und sie angeschrien hätte, wären sie geblieben, um auf dich zu warten. Einige kamen dann noch hierher zum Haus. Ich habe mich nicht mehr sicher gefühlt, Huy. Wir müssen uns ein Haus suchen, das richtig bewacht werden kann.«
    Impulsiv nahm er ihre Hand, zog sie heran und küsste die schwielige Handfläche. »Ich weiß. Ich möchte dich bestimmt nicht in Gefahr bringen, Ischat, aber wir sind sehr arm. Was soll ich tun?«
    Sie atmete so heftig aus, dass der Luftzug seinen Kopf wärmte. »Schauen wir, was passiert, wenn der König so siegreich zurückkehrt, wie du ihm vorhergesagt hast. Vielleicht geht seine Dankbarkeit über die Versorgung mit Mohn hinaus.«
    »Vielleicht.« Huy biss in die letzte, mit Honig überzogene Feige. »Bis dahin muss ich weiter die Hilfsbedürftigen heilen. Götter! Ischat, ich bin achtzehn Jahre alt und lebe wie jemand in den mittleren Jahren! Ich möchte mich endlich amüsieren.«
    »Womit?«
    »Das weiß ich nicht. Einfach amüsieren. Flechte mein Haar nicht wieder. Wenn es offen ist, gehen die Kopfschmerzen schneller vorbei. Hältst du deinen Nachmittagsschlaf?«
    Sie legte den Kamm auf den Tisch. »Ja. Und heute Abend essen wir mit deinem Freund und tun, als wäre unser Leben genauso angenehm wie seines.«
    Huy stand vom Tisch auf. »Ich glaube, du gefällst ihm, Ischat. Wie fühlt es sich an, von einem Edelmann begehrt zu werden?«
    »Ist die Begierde eines Edelmannes anders als die eines Bauern?«
    »Ich sagte Begehren, nicht Begierde. Ganz sicher ist Begehren weniger plump.«
    »Ah! Das ist also der Unterschied? Bauern haben Begierde, Adelige Begehren?« Dann lachte sie, kam zu ihm und umarmte ihn freundschaftlich. »Ich mag deinen alten Freund Thutmosis sehr. Er behandelt mich ebenbürtig. Zweifellos hat man ihn dazu erzogen, zu jedermann nett zu sein. Schlaf gut, teuerster Bruder.«
    Sie verschwand in ihrem Zimmer, und Huy machte sich dankbar auf den Weg in sein durchgelegenes Bett. Er wollte die Ereignisse des Vormittags noch einmal vorüberziehen lassen. Der Gedanke an Anhor ließ ihn lächeln. Dann bekam aber der Mohn die Oberhand, und Huy fiel, das Bild des Königs vor seinem inneren Auge, in einen heilsamen Schlaf.

19
    Thutmosis’ Sänfte holte sie in der Abenddämmerung ab. Für Huy war das Ankleiden kein Problem, er trug denselben Schurz wie am Vormittag. Doch Ischat stand nach dem Nachmittagsschlaf vor den beiden Kleidern und den Sandalen, die Huy ihr geschenkt hatte, befingerte sie unschlüssig, starrte sie an und brach in ungewohnte Tränen aus. Huy war gerade dabei, seinen Zopf zu flechten. Als er ihr Schluchzen hörte, eilte er zu ihrem Zimmer und blieb hilflos im Durchgang stehen. »Ischat, was ist los? Bist du krank?«
    Sie drehte sich zu ihm um, versuchte nicht, ihr Gesicht zu verstecken, und zeigte auf ihr Bett. »Ich war noch nie bei jemandem zu Gast!«, jammerte sie. »Ich habe immer bedient. Nun soll ich auf dem Schiff eines Adeligen sitzen, und seine Untergebenen sollen sich um mich kümmern. Sie werden höflich und beflissen sein – aber ich weiß, was sie denken werden!«
    Huy stand vor einem Rätsel. »Wovon sprichst du, Ischat? Du wirst bei einem Freund sein, bei jemandem, den du kennst. Ich finde es schön, dass du einmal als Gast behandelt wirst.«
    »Aber ich sehe wie eine Dienerin aus, Huy! Ich habe kein Kleid aus schönem Leinen, nur meine alten, groben Arbeitsgewänder! Ich habe keinen Schmuck, nichts für meine Haare. Ich habe noch nicht einmal Löcher in den Ohrläppchen! Sie werden sehen, dass ich eine Hochstaplerin bin!«
    Huy empfand Mitleid. Solche Überlegungen wären ihm nicht gekommen. Er ging zu ihr hin und wollte sie in den Arm nehmen, aber sie machte sich mit steifem Körper los. »Versuch nicht, mich zu trösten!«, fauchte sie. »Mein Platz beim Essen ist hinter dir, bei dem anderen Gesinde, um dich mit dem Nötigen zu versorgen und deinen Becher zu füllen. Thutmosis hat mich nur aus Nettigkeit eingeladen.«
    »Das denke ich nicht. Ich kenne ihn ebenso gut, wie ich dich kenne. Würde Thutmosis in dir eine Dienerin sehen, würde er dich nicht mit dieser Vertrautheit behandeln und hätte dich nicht ebenfalls zum Essen

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