Der Seher des Pharao
die Taktiken zu sprechen, mit denen er zunächst gegen die Prinzen von Schamasch-Edom vorgehen wollte. Huy war dankbar, dass er zeitweilig in Vergessenheit geriet. Men brachte ihm kurz darauf ein Alabastertöpfchen mit einer milchigen Flüssigkeit. Huy trotzte dem bitteren Geschmack und schluckte sie schnell herunter. Beinahe sofort ließen die Kopfschmerzen nach, und seine Glieder wurden wunderbar matt.
»Das ist eine sehr starke Mischung«, sagte er, als er Men das leere Töpfchen zurückgab.
Der Mann nickte. »Die Mohnkapseln, aus denen diese Arznei hergestellt wird, kommen aus Keftiu. Sie sind viel stärker und wirkungsvoller als die, die in Ägypten wachsen. Der König wird dafür sorgen, dass du immer einen Vorrat davon hast.«
Huy erhob sich schwankend. Sofort verstummte das Gespräch.
»Du möchtest entlassen werden«, stellte Amenhotep fest. Er zeigte hinter sich. »Meine Freunde möchten wissen, ob sie meine Schlachten überleben oder nicht. Sie möchten, dass du ihnen weissagst.«
»Majestät, ich bin sehr müde«, entschuldigte sich Huy. Der Gedanke, weitere Visionen auslösen zu müssen, machte ihn krank. »Bis morgen werde ich mich so weit erholt haben, dass ich mich um diese Edelleute kümmern kann.«
»Morgen fahre ich schon mit meinem Wagen auf dem Horusweg«, erwiderte Amenhotep. »Geh also, höchst wundersamer junger Bauer. Ich brauche vielleicht künftig deine Dienste erneut, also gib auf dich acht und bleib gesund. Hast du eine Wache? Gute Diener?«
»Nein, Majestät. Ich lebe bescheiden mit einer Dienerin, meiner Freundin Ischat, zusammen. Ich brauche keine Wache.«
»Das wird sich zeigen.« Amenhotep schnipste kurz mit seinen beringten Fingern. »Du darfst dich verbeugen.«
Huy tat, wie ihm geheißen, und konzentrierte sich dabei darauf, seine Beine ruhig zu halten, denn der Mohn machte ihn schwindlig. Vorsichtig ging er rückwärts zur Kabinentür, verbeugte sich erneut und stürzte mit einem hörbaren Seufzer der Erleichterung an die frische Luft. Wesersatet begleitete ihn ans Ufer. Er hätte mit Anhor gern mehr als einen gerufenen Abschiedsgruß ausgetauscht, aber Thutmosis wartete schon neben der Sänfte. Außerdem waren die Kissen, die hinter dem Damastvorhang hervorblitzten, viel zu verführerisch. Huy stieg hinein und lehnte sich dankbar zurück. Thutmosis ließ sich neben ihm nieder. Die Sänfte setzte sich in Bewegung.
»Nun?«, drängte Thutmosis. »War deine Vision Seiner Majestät genehm? Du hattest doch eine, nehme ich an. Ist Kenamun nicht ein widerliches, herablassendes Stück ägyptischer Adel? Aber mochtest du Miny?«
»Welcher war das? Ich hatte nur mit Men und Kenamun zu tun.«
»Miny ist der ältere Mann mit der Narbe auf der Brust. Er ist der militärische Ausbilder des Königs. Er gab Amenhotep den Bogen, den niemand außer dem Pharao spannen kann. Der König ist sehr stolz darauf.«
»Ich habe ihn nicht bemerkt. Ich habe meine Aufgabe erfüllt, das ist alles. Man hat mir Wasser angeboten, aber kein Bier und nichts zu essen. Nachdem die Kopfschmerzen und meine Beklommenheit nachgelassen haben, meldet sich der Hunger. Ich möchte nach Hause zu Ischat und etwas essen. Danach möchte ich schlafen.«
»In Ordnung«, gab Thutmosis gut gelaunt nach. »Ich sehe, dass du mürrisch bist. Ich schicke euch beiden bei Sonnenuntergang eine Sänfte, und wir essen an Deck meines Schiffs, weit weg vom Gestank Hut-Heribs.«
Ischat saß auf einem Hocker vor dem Haus und wartete auf ihn. Sie stand gespannt auf, als die Sänfte abgesetzt wurde, aber Huy stellte auch fest, dass ihr erster Blick Thutmosis galt, der den Vorhang zur Seite hielt. Die beiden lächelten sich an, Thutmosis bellte einen Befehl, und die Sänfte entfernte sich. Ischat nahm Huys Arm und zog ihn ins Haus. »Ging alles gut bei der Weissagung?«, wollte sie wissen. »Wie sieht der König aus? War er freundlich? Trägt er schönen Schmuck? Wie groß ist seine Barke?«
Huy sah ihre strahlenden Augen und mochte sie nicht enttäuschen. Obwohl er sich gern sofort über Feigen, Brot und frischen Salat hergemacht hätte, die sie auf dem Tisch bereitgestellt hatte, beantwortete er geduldig ihre Fragen. »Er hat mir kein Gold gegeben«, nahm er ihre letzte Frage vorweg, »aber versprochen, mich regelmäßig mit Mohn gegen meine Kopfschmerzen zu versorgen. Du weißt, wie krank mich die Visionen machen. Und jetzt lass mich bitte essen, Ischat.« Er setzte sich an den Tisch und biss in das Brot. Ischat stellte sich
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