Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Seher des Pharao

Der Seher des Pharao

Titel: Der Seher des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
Vom Netzwerk:
über Haushaltsangelegenheiten. »Ich bin in dem Alter zu heiraten«, sagte sie an einer Stelle, »aber Vater hat mir noch keinen passenden Mann ausgewählt. Ich glaube, er will nicht, dass seine Kinder das Haus verlassen. Nun, ich habe es nicht eilig. Ich liebe es, über die Märkte in Iunu zu schlendern und in die Papyrussümpfe am Fluss zu staken.« Huy aß ein wenig, trank seinen Dattelwein und hatte dabei immer Naschas Parfüm in der Nase, das lebhafte Erinnerungen in ihm auslöste – wie Anukets kleines Gesicht durch den dichten Vorhang schwarzer Haare zu ihm aufsah, während sie wieder einmal einen Kranz flocht. Plötzlich wollte er unbedingt dieses Haus verlassen, fort von Hut-Herib und den misstrauischen Blicken seiner Bewohner sein. Er sah seinen Vater an.
    »Dürfen Thutmosis, Nascha und ich in den Garten gehen?«, fragte er. Hapu nickte knapp. Die drei erhoben sich, Huy verbeugte sich vor Nacht, und dann gingen sie hinaus in die Nachmittagssonne.
    »Vater isst heute Abend mit eurem Bürgermeister«, sagte Nascha und ließ sich in den Schatten der Büsche beim Tor zum Obstgarten fallen. »Thutmosis und ich essen also allein auf dem Schiff. Meinst du, du kannst uns Gesellschaft leisten? Sieh dir die Sänftenträger an! Sie schlafen alle! Anscheinend hat eure Dienerin sie mit Essen versorgt.«
    Als sich Huy neben Nascha niederließ, sah er aus dem Augenwinkel etwas Weißes. Die Büsche bewegten sich. Jemand beobachtete sie aus sicherer Entfernung vom Obstgarten aus. Huy wusste, dass das Ischat war. Mit einem grimmigen Lächeln dachte er an die scharfen, eifersüchtigen Bemerkungen, die sie machen würde.
    »Ich würde gern kommen«, antwortete er Nascha, »ich werde Vater nach dem Nachmittagsschlaf fragen. Wie Mutter aussieht, brauchen heute beide ihr Bett!«
    Impulsiv warf Nascha die Arme um Huy und drückte ihn an sich. »Lieber, ernster Huy! Es ist schön, endlich zu sehen, wie du lebst. Ich liebe euer kleines Haus, und der Garten ist ein Schmuckstück. Doch wo sind die Bilder, die du, wie du sagtest, überall auf die Wände geschmiert hast?«
    »Vater übermalt sie jedes Jahr, wenn er die Wände tüncht«, sagte er abwesend, denn er verspürte ein merkwürdiges Gefühl, das aus ihren Armen in seinen Körper kroch. Kälte wälzte sich in seine Brust, breitete sich im Leib aus, floss hinunter in seine Beine und stieg langsam Richtung Kopf. Das Gefühl war vertraut und schrecklich, doch als ihm Nascha freundschaftlich auf den Rücken klopfte und ihn losließ, packte er krampfhaft ihre Hände. Unwillkürlich schlossen sich seine Augen. Die Kälte kroch seinen Nacken hoch und nahm zu, während sie sich im Schädel ausbreitete. Er zitterte am ganzen Leib. Ich spüre den Tod. Das habe ich schon einmal erlebt. Götter! Das ist der Tod! Ich sterbe! Panik ergriff ihn und presste seine Gedärme zusammen, doch die eisige Woge löschte sie alsbald. Hinter seinen Augen breitete sich ein undurchdringliches Dunkel aus. Er wollte sie öffnen, aber das ging nicht. Er merkte, dass Nascha verzweifelt versuchte, sich loszureißen, konnte sie aber nicht freigeben. »Nascha«, hörte er sich zwischen zusammengebissenen Zähnen sagen. »Nascha. Die Straße der Korbmacher. Geht nicht dorthin. Schlamm. Der Boden ist matschig. Geht nicht dorthin.« Plötzlich ließ das Dunkel nach, und seine Augen öffneten sich wieder. Nascha starrte ihn kreidebleich an. Kraftlos ließ er ihre Hände los. Ihm war übel.
    »Was ist passiert, Huy?« Sie flüsterte fast. »Hast du gerade eine Prophezeiung gemacht? Spricht ein Gott durch dich zu mir? Aber du bist noch nicht mal Priester! Das war nicht deine Stimme! Sag, dass es ein alberner Scherz war.«
    Ein Schweißtropfen lief über Huys Schläfe. Er fuhr mit dem Finger über seine nasskalte Stirn. »Verzeih mir, Nascha«, murmelte er. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Du hast mich umarmt, und ich hatte plötzlich das Gefühl, sterben zu müssen, und dann kamen die Worte aus mir.« Er beugte sich vor und presste die Hand auf seinen Magen. »Mir ist schwindelig. Der Himmel wogt. Warum steht da, wo der Teich sein sollte, ein Wagen? Ich habe Steine in mir. Mir ist übel.« Er kämpfte gegen den Brechreiz, wollte nicht wieder aufblicken und die Straße der Korbmacher über dem Gras und den Büschen des Gartens liegen sehen. Doch als er sich wieder im Griff hatte, war auch das Trugbild verschwunden. In seinem Kopf hämmerte es.
    »Du siehst krank aus«, brach Nascha das entsetzte Schweigen. Sie

Weitere Kostenlose Bücher