Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
Glas und Flamme sorgte für den goldgelben Schein, der auch den entlegensten Winkel des Saals erreichte. Izzy musterte die Wandteppiche in satten Blau-, Grün- und Rottönen, die diesem Raum etwas Wärmendes, Einladendes verliehen, der ebenso gut kalt und abweisend hätte eingerichtet gewesen sein können.
»Das ist ja wunderschön«, sagte sie, doch ihre Worte beschrieben nicht annähernd diese Pracht. Allerdings hätte sie nicht gewusst, wie sie sich zutreffender hätte ausdrücken sollen. »Ich habe noch nie gesehen, dass man Glas auf diese Weise benutzt.« Sie hatte lediglich Eldon MacDonald davon reden hören, wenn er von einer Reise aufs Festland zurückgekehrt war.
Von Ehrfurcht erfüllt, ließ sie ihren Blick weiter schweifen, während Wolf sie zum ausladenden Kamin führte. Vor dem knisternden Feuer angekommen, ließ er sie los, und sofort hüllte die Wärme sie ein. Sie schauderte, und erst jetzt wurde ihr klar, wie durchgefroren sie eigentlich war.
Wolf blieb neben ihr stehen und rieb sich die Hände. Offenbar war ihm genauso kalt wie ihr. »Ihr habt nie ein verglastes Fenster gesehen?«
»Nein, nie. Und in einer Burg hätte ich auch nicht damit gerechnet.«
»Es ist ein kleiner Luxus, den ich mir gegönnt habe. Die Fenster sind strategisch so angeordnet, dass ein Feind sie nicht für seinen Angriff nutzen kann. Hier werdet Ihr in Sicherheit sein.«
Das Licht des Kaminfeuers zuckte über Wolfs dunkles Haar und sein kantiges Gesicht. Er sagte, sie sei hier in Sicherheit – aber würde er oder irgendjemand sonst wirklich in der Lage sein, sie vor ihrem Vater zu beschützen? Ihrer Mutter zufolge war das nur möglich, wenn niemand ihre wahre Identität kannte.
Sie sah in die rotgoldenen Flammen und grübelte, was sie tun sollte – bleiben oder von hier weggehen? Egal, wie sie sich entschied, sie und andere Menschen würden dennoch in Lebensgefahr schweben.
»Derjenige, der Euch nach dem Leben trachtet, wird damit keinen Erfolg haben, solange Ihr in meiner Obhut seid«, versicherte er ihr, als hätte er ihre Gedanken erraten.
»Wie könnt Ihr das sagen?« Sie deutete auf das Loch in seinem Hemd. »Fast hätten sie schon Erfolg gehabt.«
Er lächelte flüchtig. »Sie hatten eine Gelegenheit, und es ist ihnen nicht gelungen, mehr als ein paar Tropfen Blut zu vergießen. Jetzt bin ich auf der Hut, und ein zweites Mal wird ihnen das nicht gelingen.«
Izzy schloss die Augen und kämpfte gegen die Gefühle an, die sie zu überwältigen drohten. Wie sehr wünschte sie, er würde die Wahrheit aussprechen. Sie umfasste ihr Handgelenk und rieb über die Narben, die von den Fesseln zurückgeblieben waren, in die man sie gelegt hatte, nachdem sie zusammen mit ihrer Mutter bei einem Fluchtversuch ertappt worden war. Aus Erfahrung wusste sie, welche Macht ihr Vater tatsächlich besaß.
Sie erschrak, als er sanft ihr Kinn berührte, und als sie die Augen aufschlug, sah sie, dass er sie eindringlich betrachtete. »Ich habe Euch bislang kaum einen Grund geliefert, mir zu vertrauen, doch ich bitte Euch jetzt, mir zu glauben, dass ich Eure Sicherheit gewährleisten werde.«
Sein Lächeln war von einer ehrlichen Art, nicht aufgesetzt wie das, was sie eben noch bei ihm gesehen hatte. Dennoch wäre ihr Letzteres lieber gewesen, da sich so nämlich eine wohlige Wärme in ihrem Inneren ausbreitete. Kein Lächeln sollte eine solche Wirkung bei ihr haben, wenn es geeignet war, sie zu einem Handeln zu verleiten, das die Menschen in ihrer unmittelbaren Nähe in Gefahr brachte. Stattdessen sollte sie das Lächeln ignorieren und sich abwenden, sie sollte Wolf sagen, dass sie noch in dieser Nacht seine Burg verließ, um ihr Leben zu verschonen.
»Danke, dass Ihr mich beschützt«, flüsterte sie. »Das hat noch niemand für mich getan.«
Das Gefühl von Dankbarkeit, das ihre Worte bei Wolf auslösten, hatte er in dieser Form nie zuvor erlebt. Er musste schlucken, sein Atem ging zu schnell, während er versuchte, diese unerwünschte Gefühlsregung abzuwehren. Er wollte sie lediglich beschützen, aber sonst nichts. »Gern geschehen. Fühlt Euch wie zu Hause.« Er wandte sich zu Fiona um, und kaum erblickte er ihre finstere Miene, schien sich eine zentnerschwere Last auf ihn zu legen.
»Was hat das alles zu bedeuten, Wolfie? Nach deiner langen Abwesenheit hatte ich eine andere Art von Begrüßung von dir erwartet.« Ungeduldig tippte sie mit dem Fuß auf den Steinboden, während ihr zartes Gesicht einen solch verkniffenen
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