Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
Ausdruck annahm, dass sie mehr wie ein missbilligendes altes Weib aussah, aber nicht wie eine Geliebte, die seine Rückkehr sehnlichst erwartete.
Er versuchte, Fiona als ebenso schutzbedürftig anzusehen wie Isobel. Seit zwei Jahren lebte sie jetzt bei ihm, und zu Beginn war sie fast genauso hilflos und heruntergekommen gewesen, als sie von ihrem Geliebten verlassen und verstoßen dort am Ufer entlangging, wo er sein Schiff vertäute. Er betrachtete den tiefen Ausschnitt ihres Kleids, rief sich in Erinnerung, wie voll und üppig ihre Brüste, wie fest und steil aufgerichtet die rosigen Knospen waren.
Keine Regung.
Er stutzte. Vielleicht hatte der Pfeil ihn schwerer verletzt als angenommen. Bislang war es Fiona immer gelungen, wenigstens einen Funken Lust in ihm erwachen zu lassen.
Eine Bewegung zu seiner Linken ließ ihn in diese Richtung schauen. Isobel stand dort und hielt ihm einen weiten Becher mit dampfender Gemüsesuppe hin.
»Das sollte Euch Wärme spenden und die Kälte vertreiben.«
Er nahm den Becher mit der köstlichen Suppe entgegen und trank einen Schluck. Dabei fiel ihm ein, dass alle, die mit ihm auf dem Schiff hergekommen waren, seit dem letzten Abend nichts mehr gegessen hatten. So versessen war er darauf gewesen, nach Black Isle zurückzukehren, dass außer einer baldigen Ankunft nichts anderes mehr von Bedeutung gewesen war.
Isobel ging weg und füllte einen weiteren Becher, den sie Brahan gab. Der bedankte sich mit einem Nicken, doch als Isobel auch Fiona etwas darreichen wollte, ballte die nur die Fäuste und sah wieder Wolf an.
»Du behauptest, sie sei keine Dienerin, und doch lässt du dich in diesem Augenblick von ihr bedienen«, herrschte sie ihn an und schlug Isobel den Becher aus den Händen. Mit einem dumpfen Knall kam er auf dem Steinboden auf. »Du scheinst zu vergessen, dass ich kein naives, kleines Mädchen bin. Ich sehe es dir an, du willst mir etwas vormachen. Und jetzt sag mir, wer diese Frau ist.«
»Das werden wir unter vier Augen besprechen, Fiona.« Er stellte seinen Becher auf einem Tisch nahe dem Kamin ab.
»Dein Schweigen ist verräterischer als deine Worte. Wäre ich eine schwächere Frau, würde ich bei dem Gedanken in Ohnmacht fallen, dass du deine neue Geliebte herbringst.«
Wolfs Miene verfinsterte sich. »Sie ist nicht meine Geliebte.« Eben wollte er einen Schritt auf Fiona zumachen, da wurde er abermals durch Isobel abgelenkt. Sie kniete vor der verschütteten Suppe und wischte alles mit einem Lappen zusammen, den jemand beim Kamin hatte liegen lassen. Er hockte sich neben ihr hin und fragte ratlos: »Was macht Ihr da?«
Verständnislos schaute sie ihn an. »Ich mache nur, was eine Frau eben macht … so wie Ihr es mir gesagt hattet.«
Er nahm ihr den Lappen aus der Hand und zog sie hoch. »Das hatte ich damit nicht gemeint.«
Sie löste sich aus seinem Griff und strich nervös über ihr schmutziges braunes Kleid.
Als er sah, wie Fiona demonstrativ und triumphierend über ihr eigenes, edles Kleid strich, reizte ihn das so sehr, dass er Isobel schroffer als gewollt fragte: »Seid Ihr nicht ausgebildet worden?«
»Nur um zu dienen.«
»Hat Eure Mutter Euch nie beigebracht, wie sich eine Dame verhalten soll?«
»Dafür gab es keinen Grund«, erwiderte sie.
»Und das hat Euch nicht missfallen?«
»In meinem Leben gab und gibt es nur wenig Gelegenheit, um mir Gedanken darüber zu machen, war mir missfällt und was nicht.«
Verärgerung und Mitleid lieferten sich einen heftigen Kampf in seinem Inneren, dann drehte er sich abrupt zu den Dienstmädchen um, die herbeigekommen waren, um den Boden zu wischen. »Sucht Mistress Rowley und sagt ihr, sie soll Isobel nach oben bringen. Sorgt dafür, dass Badewasser hinaufgebracht wird. Und bringt ihr verdammt nochmal Kleider, die ihrer Stellung entsprechen!«
Fiona verschränkte die Arme vor der Brust und bedachte ihn mit einem boshaften Blick. »Und was für eine Stellung soll das bitte sein?«
Wolf ballte und öffnete immer wieder die Fäuste. Als er das Gefühl hatte, sich wieder im Griff zu haben, wandte er sich abermals Isobel zu. Die Flammen des Kaminfeuers verliehen ihrer Haut einen goldenen Glanz, und ihr strohblondes Haar strahlte in einem tiefen Goldton. Trotz ihres erbärmlichen Erscheinungsbilds hatte ihre Haltung etwas Unschuldiges, Verführerisches an sich.
Diese Frau sollte er beschützen, sie gehörte ihm und sie durfte mit ihm das Bett teilen. Sein Vater hatte dafür gesorgt, dass sie sich in
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