Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
tatsächlich verhielt, doch aus Erfahrung wusste er, dass seine Richtigstellungen allzu oft auf taube Ohren stießen. Die Sünden seiner Vergangenheit, die ihm von seinem Vater aufgebürdet worden waren, stellten einen Fluch dar, von dem er sich wohl niemals würde befreien können.
Dennoch hatte er sich von ihr erhofft, sie würde keine voreiligen und damit falschen Schlüsse ziehen.
Sonderbare Erleichterung überkam ihn, als Mistress Rowley das Zimmer betrat und ein Holztablett mit Räucherfleisch und knusprigem Brot hereinbrachte. Vier Dienstmädchen folgten ihr und trugen Eimer mit heißem Wasser herein, kippten es in die Wanne und zogen sich so rasch zurück, wie sie gekommen waren. Nur Mistress Rowley leistete ihnen weiter Gesellschaft.
»Ein Bad und eine Mahlzeit für den Herrn und seine Braut«, verkündete sie mit einem wissenden Lächeln. »Es wird auch Zeit, dass Ihr sesshaft werdet und mir einen Stall voller Kinder beschert, um die ich mich kümmern kann. Wie sollte ich sonst jung bleiben?«
Alle Farbe wich aus Isobels Wangen. Sie machte einen entsetzten Eindruck, und zwar seinetwegen.
Er ballte die rechte Faust und stellte sich vor, wie er damit sein Werkzeug hielt. Seine Arbeit half ihm beim Nachdenken und bewirkte, dass aus seiner Wut etwas Nützliches entstehen konnte. Der Brennofen war jetzt genau der richtige Ort für ihn.
Er sah von Isobel zu Mistress Rowley, während das Licht, das durch das bunte Glas in den Raum fiel, immer schwächer und schwächer wurde, je weiter der Abend voranschritt. »Bei Mistress Rowley seid Ihr gut aufgehoben, Isobel. Ich erwarte Euch in Kürze zum Abendessen unten im Saal. Wenn Ihr nach unten kommt, dann sorgt bitte dafür, dass Ihr nach etwas anderem riecht als nach Seetang und Salz. Meine Braut sollte nach Blumen duften, aber nicht nach dem Meer.«
Wolf war allein im obersten Geschoss des Wachturms und drehte den langen Metallstab, um das Glas in seinem selbst konstruierten Brennofen zu erhitzen.
Am Tag führte er das Schwert, am Abend schuf er Glaskunstwerke. Zerstörer und Schöpfer in einer Person. Das war bislang alles, was er in seinem Leben zustande gebracht hatte.
Mit ruckartigen Bewegungen hielt er den Glasklumpen immer wieder kurz in die Flamme, um daraus etwas Schönes zu schaffen. Der Klumpen war wie ein Phönix, der aus der Asche auferstand, um die Welt in farbiges Licht zu tauchen.
Während das Glas allmählich seine Form veränderte, sah sich Wolf in dem kleinen Gemach um, das sein ganz privates Reich darstellte. Niemand wagte es herzukommen, zumindest niemand, dem sein Leben lieb war. Die Angehörigen seines Haushalts nahmen seine Warnung ernst, ihn hier in Ruhe zu lassen. Er wusste, sie tuschelten hinter seinem Rücken und rätselten, was er hier wohl trieb, doch keiner von ihnen hätte es gewagt, sich über sein Verbot hinwegzusetzen, um mehr in Erfahrung zu bringen.
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war diese Angst vor ihm durchaus begründet gewesen, eine Zeit, als er für die Menschen jener Alptraum war, zu dem sein Vater ihn erklärt hatte. Doch diese Zeit lag lange hinter ihm, und seit seiner ersten Begegnung mit Master de Joinville hatte er eine grundlegende Wandlung vollzogen.
Dieser erste Blick auf flüssiges Feuer war für den Schwarzen Wolf von Schottland zu einem Leuchtfeuer geworden, das von einer besseren Zukunft kündete. In jenem düsteren, staubigen Raum, in dem der Burgherr Wunderwerke aus Glas schuf, hatte Wolf die so verzweifelt gesuchte Errettung gefunden. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt und sich von seinem Vater abgewandt, seine Männer um sich geschart und fortan versucht, seinen Leuten so gut zu dienen, wie es ihm nur möglich war.
Er hielt den warmen Metallstab fester umschlossen und drehte ihn wieder in den Flammen. Letztlich hatten seine Bemühungen jedoch zu nichts geführt. Seine Liebe zu seinem Bruder und das fehlgeleitete Mitgefühl mit Isobel waren schuld, dass er am Ende doch wieder tat, was sein Vater wollte.
Was würde wohl geschehen, wenn er zuließ, dass derjenige Isobel finden konnte, der ihr nach dem Leben trachtete? Mit ihrem Tod wäre er von jeder Verantwortung befreit. Aber noch während der Gedanke ihm durch den Kopf ging, wusste er bereits, so grausam konnte er nicht sein. Die Alptraumbestie, die er einmal gewesen war, hätte etwas derart Abscheuliches tun können. Doch der Mann war er nicht mehr. Er beschützte Leben, er vernichtete es nicht. Und er würde sie beschützen.
In sein
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