Der Sehnsucht verfallen: Roman (German Edition)
sie ihm etwas so Persönliches anvertraut? Sie schob die Kette unter das Mieder ihres Nachtgewands, damit es vor seinen Blicken verborgen war. »Es ist nur eine Kette.« Dann versuchte sie, sich auf die Bettkante zu setzen.
»Was macht Ihr da?«, wollte er wissen.
Izzy stand auf, obwohl sich ihre Beine so anfühlten, als müssten sie jeden Moment einknicken. Sie konnte nicht länger im Bett bleiben, weil sie sonst das Gefühl hatte, ungeschützt und verwundbar zu sein. Viele Dinge in ihrem Leben mochten ihrer Kontrolle entzogen worden sein, aber sie würde nicht zulassen, dass sie je wieder verwundbar war. Entschlossen straffte sie die Schultern. »Ich muss mit Lord Wolf reden.«
»Ich sah ihn das letzte Mal heute Morgen, als er herkam, um sich nach Euch zu erkundigen.«
Seine unerwarteten Worte ließen ihre Wangen glühen. »Er kam her, um nach mir zu sehen.«
»Er kam jede Stunde her, seit wir wussten, Ihr würdet das Gift überleben.«
Und trotzdem war er nicht bei ihr geblieben. Sie machte zwei unbeholfene Schritte auf den Kamin zu, wobei sie versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen – eine Enttäuschung, die keinerlei Sinn ergab. Was hatte sie davon, ob er bei ihr blieb oder nicht?
»Er spricht heute Morgen mit den Bauern darüber, auf welchen Feldern welches Getreide gesät werden soll«, erklärte Brahan, während sie sich weiter dem wärmenden Kaminfeuer näherte.
Dort angekommen, spielte sie gedankenverloren mit ihrer Halskette. In Wolfs Leben war der Alltag eingekehrt, ihr Dasein dagegen war völlig außer Kontrolle geraten.
Brahan stellte sich zu ihr. »Sagt mir, was Ihr über den Stein an Eurer Kette wisst.«
»Meine Mutter schenkte ihn mir, als ich sieben war. Das war kurz vor ihrem Tod.«
»Darf ich ihn sehen?«, fragte er.
Als Reaktion darauf schob sie ihn nur noch tiefer in ihr Mieder. »Seit sie starb, habe ich die Kette nicht mehr abgenommen.« Sie hatte sich geschworen, sie immer zu tragen. Warum interessierte er sich nur so für ihren einzigen Schmuck? Ihre Mutter hatte nie erwähnt, ob es mit dem Stein etwas Besonderes auf sich hatte. Die einzige Hoffnung war gewesen, dass er einen gewissen Wert besaß, damit sie ihn verkaufen konnte, wenn sie einmal dringend Geld benötigte. Doch davon abgesehen, handelte es sich nur um ein Erinnerungsstück, das ihre Mutter an sie weitergegeben hatte. Zumindest war das ihre Überzeugung.
»Keine weiteren Fragen.« Sie sah ihn ernst an. »Ich möchte mich ankleiden. Geht also bitte.«
Sein verärgerter Gesichtsausdruck verriet ihr, dass die Unterhaltung über ihre Kette nur aufgeschoben war. Doch bevor er aber das Thema noch einmal aufgreifen konnte, eilte sie quer durch den Raum zu dem Schrank, aus dem Mistress Rowley kurz nach ihrer Ankunft das grüne Kleid hervorgeholt hatte. Während sie genau dieses Kleid vom Haken nahm, hörte sie, wie die Tür leise ins Schloss fiel. Brahan war gegangen. Sie seufzte dankbar und streifte das Kleid über, knöpfte die Ärmel zu und zog die Schnüre auf dem Rücken fest. Als sie fertig war, wandte sie sich der inzwischen reparierten Tür zu.
An der Tür blieb sie stehen und strich über das frisch zurechtgeschnittene Holz. Sie konnte sich deutlich an das Sägen und Hämmern erinnern, als die Reparatur durchgeführt wurde. Überall auf Duthus Castle waren Veränderungen im Gange.
Aber waren es Veränderungen zum Guten oder zum Schlechten?
Das Urteil darüber stand vorläufig aus.
Fünfzehntes Kapitel
»Wo ist diese Frau?«, knurrte Wolf zu sich selbst, als er im Saal nach einem Hinweis auf seine Frau Ausschau hielt. Brahan hatte Wolf unmittelbar nach seiner Rückkehr davon in Kenntnis gesetzt, dass Isobel aufgewacht und irgendwo ohne Begleitung in der Burg unterwegs war. Sein Freund war davon ausgegangen, dass ihm noch Zeit genug blieb, um zwei vertrauenswürdige Wachen zu ihr zu schicken, während sie sich umzog, doch das hatte sich schneller erledigt als erwartet.
Wolf beobachtete die Männer und Frauen, die im Saal ihren Aufgaben nachgingen. Ein Knappe stocherte in der Glut des Kaminfeuers, eine Küchenmagd drehte den Spieß mit dem Fleisch für das Mittagsmahl. Zwei weitere Diener kümmerten sich um die Tafel, an der einige Krieger saßen und sich unterhielten.
Von Isobel war nichts zu entdecken. Er wusste, sie befand sich irgendwo innerhalb der Burgmauern, da die Tore geschlossen waren und durch seine Wachleute gesichert wurden. Und doch hatte seit Stunden niemand eine Spur von ihr gesehen.
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