Der seltsame Mr Quin
fortfuhr:
»Nicht, dass dies eine Rolle spielt. Denn die nächste Szene ist nur zu eindeutig – unglücklicherweise. Es war genau zwanzig Minuten nach sechs Uhr, als man den Schuss hörte. Alle Angestellten hörten ihn, die Köchin, das Küchenmädchen, der Butler, das Hausmädchen und Lady Barnabys Zofe. Sie liefen ins Musikzimmer. Sie lag über die Lehne ihres Sessels gekrümmt da. Die Waffe war dicht an ihrem Hinterkopf abgefeuert worden, sodass sie ihr Ziel nicht verfehlen konnte. Mindestens zwei Kugeln schlugen ins Gehirn ein.«
Er schwieg wieder, und Mr Quin fragte wie nebenbei: »Die Angestellten machten ihre Aussagen, nehme ich an?«
Mr Sattersway nickte. »Ja. Der Butler war ein oder zwei Sekunden vor den andern da, doch ihre Aussagen waren praktisch alle gleich.«
»Sie haben alle ausgesagt?«, fragte Mr Quin nachdenklich. »Ohne Ausnahme?«
»Wenn ich es jetzt bedenke«, antwortete Mr Sattersway, »so wurde das Hausmädchen nur bei der gerichtlichen Voruntersuchung gehört. Sie fuhr nach Kanada, soviel ich weiß.«
»Ach so.«
In dem Schweigen, das entstand, schien die Atmosphäre in dem kleinen Raum mit einem gewissen Unbehagen aufgeladen zu sein. Plötzlich hatte Mr Sattersway das Gefühl, in die Verteidigung gedrängt worden zu sein.
»Warum hätte sie nicht hinfahren sollen?«, fragte er abrupt.
»Ja, warum nicht?«, sagte Mr Quin mit einem leichten, fast unmerklichen Achselzucken.
Irgendwie ärgerte Mr Sattersway die Bemerkung. Er wollte sie nicht zur Kenntnis nehmen und wieder vertrauten Boden gewinnen.
»Es konnte nicht viel Zweifel darüber geben, wer den Schuss abgegeben hatte. Tatsache ist, dass die Angestellten etwas den Kopf verloren. Es war niemand im Haus, der die Sache in die Hand hätte nehmen können. Es dauerte ein paar Minuten, bis es jemand einfiel, die Polizei zu verständigen, und als sie dies tun wollten, entdeckten sie, dass das Telefon nicht funktionierte.«
»So«, sagte Mr Quin. »Das Telefon funktionierte nicht.«
»Ja«, antwortete Mr Sattersway – und hatte plötzlich das Gefühl, auf einen äußerst wichtigen Punkt gestoßen zu sein. »Natürlich könnte es absichtlich geschehen sein«, sagte er langsam. »Doch das scheint keinen Sinn zu geben. Der Tod trat faktisch sofort ein.«
Mr Quin sagte nichts, und Mr Sattersway erkannte, dass diese Erklärung nicht genügte.
»Es gab einfach keinen andern Verdächtigen als den jungen Wylde«, fuhr er fort. »Sogar seiner eigenen Aussage nach war er erst drei Minuten aus dem Haus, als der Schuss abgegeben wurde. Wer hätte sonst schießen sollen? Sir George war beim Bridgespielen, ein paar Häuser weiter. Er ging um halb sieben Uhr und stieß genau vor dem Tor auf eine Angestellte, die ihm die Nachricht überbrachte. Der letzte Rubber wurde um halb sieben gemacht – darüber gibt es keinen Zweifel. Dann ist da noch Sir Georges Sekretär, Henry Thompson. An jenem Tag war er in London und in dem Augenblick, als der Schuss fiel, bei einer geschäftlichen Besprechung. Und schließlich haben wir noch Sylvia Dale, die eigentlich ein sehr gutes Motiv hat, wenn es auch unwahrscheinlich erscheint, dass sie mit einem derartigen Verbrechen etwas zu tun haben könnte. Sie begleitete eine Freundin zum Zug. Er fuhr genau um sechs Uhr achtundzwanzig vom Bahnhof Deering Vale ab. Das schließt sie aus. Dann die Angestellten. Was für ein Motiv hätte jemand wie sie haben sollen? Außerdem trafen sie praktisch gleichzeitig auf dem Schauplatz ein. Nein, es muss Martin Wylde gewesen sein.«
Doch er sagte dies mit einem zweifelnden Ton in der Stimme.
Schweigend aßen sie zu Mittag. Mr Quin war nicht in gesprächiger Laune, und Mr Sattersway hatte alles gesagt, was es zu sagen gab. Doch ihr Schweigen war nicht ohne Wirkung. Es war angefüllt mit Sattersways wachsender Unzufriedenheit, die auf seltsame Weise durch die Wortlosigkeit des andern noch mehr genährt wurde.
Plötzlich legte Mr Sattersway Gabel und Messer mit lautem Klirren hin. »Angenommen, der junge Mann ist tatsächlich unschuldig«, sagte er. »Er wird gehängt werden.«
Er sah aufgeregt und entsetzt aus. Noch immer sagte Mr Quin kein Wort.
»Nicht, dass…«, fing Mr Sattersway wieder an und brach ab. »Warum hätte die Person nicht nach Kanada fahren sollen?«, bemerkte er zusammenhanglos.
Mr Quin schüttelte den Kopf.
»Ich weiß nicht einmal, in welchen Teil von Kanada sie fuhr«, meinte Mr Sattersway verdrießlich.
»Könnten Sie das herausbekommen?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher