Der Semmelkoenig
sich Maus übers Kinn, sah sie an, wog ab, sah weg, schalt sich einen Narren, sah sie wieder an, konnte diesen bittend hoffnungsvollen Blick nicht mehr ertragen, griff in seine Manteltasche und tat, als ob er etwas suchte, seufzte und sagte dann: »Also gut, Frau Hubschmied, Sie sind wieder im Boot.«
Ein Strahlen erhellte ihr hübsches Gesicht und Maus fühlte sich augenblicklich belohnt. Aber bevor sie sich zu einer überschwänglichen Aktion – wie ihm um den Hals fallen oder sogar küssen – hinreißen lassen konnte, hob er mahnend den Zeigefinger.
»Moment, aber nur unter einer Bedingung: Sie gehen nicht mehr allein! Haben wir uns da verstanden? Ich bin nämlich immer noch nicht sicher, ob ich hier nicht einen Riesenfehler mache, aber ich denke, wir können das Risiko, dass Sie uns eventuell doch noch zusammenklappen, klein halten, wenn ich weiß, wo Sie stecken und was Sie machen. Hab ich mich unmissverständlich ausgedrückt?!«
»Ja«, kam es kleinlaut. »Ich versprech hiermit, dass ich immer mit einem Kollegen zusammen bin und Sie über meine Schritte informiere.«
»In Ordnung. Ihr Wort muss mir genügen. Also, dann würd ich sagen, bevor wir noch mehr Zeit verlieren, machen Sie sich gleich auf den Weg ins Revier. Wir haben nämlich ein paar neue Spuren, die überprüft werden müssen. Mittlerweile suchen wir eine Frau.«
»Ich hab’s geahnt, dass es ’ne Frau sein muss!«, stieß sie hervor und Maus zog überrascht die Augenbrauen hoch.
»Wie das? Weibliche Intuition?«
»Des auch und dieser merkwürdige Übergabeort!«
»Sie also auch?«, stöhnte Maus.
»Ja, das is doch offensichtlich. Ich tipp mal auf eine Mutter, die sich rächen wollte und …«
»Ja, ja und sie is ein Kontrollfreak und jetzt is sie leicht übergeschnappt und macht eine unüberlegte Aktion nach der anderen. Wo hab ich das denn schon einmal gehört?«
Irritiert blickte Claudia ihn an. Er musste schmunzeln. Es war nicht gerade fair gewesen, ihr so den Wind aus den Segeln zu nehmen. Daher versuchte er eine Erklärung: »Ich glaube, Sie und meine Frau sind aus dem gleichen Holz geschnitzt.«
Claudia erkannte das versteckte Kompliment und freute sich. Eine Anerkennung, eine zweite Chance, eine Aufgabe waren die besten Mittel, sie zu motivieren und von dem Unglück mit Georg Möller abzulenken. Adrenalin pumpte in ihren Adern, ihr Gehirn lief auf Hochtouren, ihre Instinkte waren geschärft und eine Frage brannte ihr auf den Lippen: »Sie haben doch schon jemanden im Visier, hab ich recht?«
»Davon können Sie ausgehen, werte Kollegin. Das habe ich«, erwiderte er. »Wir müssen uns so schnell wie möglich auf die Suche nach Frau Sandra Blum machen.«
»Heidis Mutter?«, sie pfiff anerkennend.
Der Startschuss war hiermit gefallen. Schnell griff sie nach dem Parka, aber erstarrte sofort wieder. Das war Georgs Jacke! Sie schluckte, fing sich aber gleich wieder, griff in die Tasche und zog das Handy hervor.
»Hier!«, sie drückte es Maus in die Hand. »Hier haben wir Beweisstück A. Mit diesem Handy hat mein Ex-Verlobter das Mädel kontaktiert. Wenn Sie mich bitte jetzt entschuldigen würden, ich habe zu tun.«
»Recht so, Claudia, recht so. Schnabelhuber wird Sie instruieren. Ich habe derweil in Ermangelung an Personal – irgendwie war Georg Möllers Verhaftung einfach interessanter – Hammer zu den Blums schicken müssen. Ich hoffe, er vermasselt es jetzt nicht wieder und bringt die Frau bald zur Befragung, die Sie dann mit mir vornehmen. Gut?«
»Gut!«
An der Tür wäre sie beinahe mit Steffi zusammengestoßen. Lächelnd nahm sie ihr eine Dose aus der Hand, drehte noch einmal um und sagte zu Maus: »Danke nochmal für die Chance, Chef! Sie werden es bestimmt nicht bereuen. Und wenn Hannes kommt, dann sagen Sie ihm bitte, dass er sich beeilen muss. Sonst verpasst er heute noch meine zweite Verhaftung!«
Dann war sie verschwunden. Kopfschüttelnd blickte Steffi ihr nach. Maus war neben sie getreten.
»Wer ist Hannes?«, fragte er neugierig.
»Hannes? Ach, Herr Kommissar. Manchmal sind Sie wirklich ignorant. Das is doch unser Austauschbulle. Haben Sie den denn schon völlig vergessen? Der Hannes Petersen!«
»Ach, der Petersen. Woher sollte ich wissen, wie der mit Vornamen heißt?«, nachdenklich schüttelte er den Kopf. »Ja, und wo steckt der denn? Ich hab ihn seit heute Morgen nicht mehr gesehen?«
»Gute Frage«, auch Steffi kam ins Grübeln. »Ich hab ihm mein Fahrrad geliehen und er wollte ein paar Zeugen
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