Der Semmelkoenig
befragen. So um kurz vor drei hab ich ihn noch gesprochen, als ich alle wegen des Meetings informiert habe. Da war er …«, ratlos zuckte sie die Schultern. »Da war er … Keine Ahnung! Aber er müsste doch schon längst wieder aufgetaucht sein, oder? Ob da was passiert ist?«
»Sagen Sie’s mir, Steffi. Sie sind eine Frau und Sie spüren doch so was.«
Empört schnappte sie nach Luft.
»Was soll denn das wieder heißen? Ich hab nix mit dem. Er is sehr nett und sieht gut aus, aber …«
»Aber was?«
»Aber er hat ja nur Augen für Claudia!«, platzte sie heraus.
Ein paar Sekunden sahen sie sich schweigend an, dann mussten sie grinsen. Maus versuchte als Erster, wieder ernst zu werden.
»Sehr schön. Also, wenn unser Romeo mal wieder auftauchen sollte, dann schicken Sie ihn gleich zu Julia. Das tut beiden bestimmt gut. Bis dahin, entschuldigen Sie mich bitte. Die Presse wartet.«
95
Hammer brachte mit quietschenden Bremsen den Wagen vor Hausnummer 100 zum Stehen. Ja, diese Straße kannte er dank seiner gestrigen Nachbarschaftsbefragung nur zu gut. Er hatte sich mit Gerster die Aufgabe geteilt und blickte böse auf ein Haus schräg gegenüber. Da wohnte dieses asoziale Pack, diese Schmitts. Nachdem ihm gestern von einem mürrisch dreinblickenden, rothaarigen Jungen die Tür geöffnet worden war, musste er erst einmal den betrunken Familienvater auf dem Sofa wachrütteln. Hammer schüttelte es bei der Erinnerung daran. Der Mann war kaum ansprechbar gewesen, das Haus ein einziges Chaos. Überall Müll und rotznasige Kinder, von der Mutter keine Spur. Man hätte es ihr nicht verdenken können, wenn sie geflohen wäre. Das Fass zum Überlaufen hatte dann das einzig freundliche Wesen in diesem Tumult – ein dreckverschmiertes Kleinkind in schmutziger Windel – gebracht. Vertrauensvoll war es auf seinen Schoß geklettert und hatte dabei seine Uniformjacke mit Schokolade beschmiert.
Aber das war gestern, beruhigte sich Hammer, und sprang elastisch aus dem Wagen. Heute war ein neuer Tag und er war wieder wer. Sein Chef hatte ihn auserkoren, eine wichtige Zeugin abzuholen. Oder war sie gar eine Tatverdächtige? Immerhin begann ihr Vorname mit einem »S«! Ob Maus das auch schon aufgefallen war? Wenn nicht, freute Hammer sich schon, ihn darauf aufmerksam zu machen. Mit schnellen Schritten passierte er den kleinen Vorgarten, sprang die drei Stufen zur Eingangstür hinauf, drückte energischer als nötig die Klingel und wartete. Nichts rührte sich! Hammer drückte noch einmal, diesmal etwas länger. Immer noch nichts! Was jetzt? Das war nicht so gut, denn er war davon ausgegangen, hier schnell und professionell zuzuschlagen und eventuell das Blaulicht bei der Rückfahrt einzusetzen. Aber offenbar wollte die eigensinnige Dame nicht mitspielen. Er klingelte erneut. Nichts, nichts, nichts! Der Lärm hätte selbst in einem riesigen Schloss den taubsten Butler aus dem Weinkeller gejagt, aber nicht so Sandra Blum! Hammer kratzte sich nachdenklich am Kinn. Er musste improvisieren. Vielleicht war sie ja doch da, und hatte ihn nicht bemerkt, weil sie im Garten mit einem MP3-Player am Ohr laute Rockmusik hörte und dabei Rasen mähte. Ihm war das zumindest auch schon mal passiert und er würde nie seinen fast Herzinfarkt vergessen, als plötzlich seine Frau vor ihm gestanden hatte. Ja, genau so etwas könnte auch hier der Fall sein. Zufrieden mit der Aussicht doch noch seinen aufsehenerregenden Auftritt vor dem Revier zu haben, drückte er sich an den Mülltonnen vorbei und schlug den schmalen Weg um das Haus in den Garten ein. Leider wurde er dort sofort enttäuscht, denn hier war auch niemand. Die Terrassentür war verschlossen. Er spähte durch das Fenster, um ausschließen zu können, dass Frau Blum eventuell auf dem Teppich im Wohnzimmer lag und am Verbluten war. Niemand! Hammer ließ den Blick durch den Garten schweifen. Der Abend brach schnell herein. Neben einem Blumenbeet lagen noch ein paar Gartengeräte und Handschuhe. Die sollte man wohl besser wegräumen, kam es ihm in den Sinn. Wäre doch schade, falls es regnete und sie verrosteten. Fürsorglich hob er alles auf und legte es auf den Terrassentisch. Ein kleiner Körper strich um seine Beine. Er erschrak. Schnell blickte er nach unten. Dort drückte sich jetzt eine dicke, schwarze Katze gegen ihn, fing an, leise zu schnurren und sah ihn verträumt an. Hammer war gerührt.
»Ja, Muschilein, was machst denn du hier?«
Er beugte sich hinunter und streichelte das
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