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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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sah sie noch schlechter aus, als sie sich fühlte.
    »Wo is der Chef?«, fragte Claudia daher schnell.
    »Der unterhält sich noch mit Doktor Frank. Den Schorschi ham sie ja grad abtransportiert. Sag, wie geht’s dir denn deswegen? Du weißt scho, wegen derer Sach mit der Heidi und so?«
    Claudias Herz war schwer. Zu viele Gefühle – Angst, Schmerz, Enttäuschung, Trauer – hatten es bis zum Anschlag ausgefüllt. Ihr war so, als würde es jede Minute bersten. Gequält blickte sie Steffi einige Sekunden an. War sie die Richtige, der sie sich anvertrauen sollte? Sie wollte so gerne loslassen, sich befreien, wieder die Alte sein. Steffi wartete geduldig, nahm Claudias Hände und wartete weiter. Leise – erst zögerlich stockend, dann immer schneller – begann die Kommissarin zu erzählen. Die Schleusen waren geöffnet, die Schulter zum Ausweinen die richtige, die geschundene Seele schien sich bei jedem neuen Wort mehr und mehr zu regenerieren. Als Kommissar Maus zehn Minuten später in den Raum kam, fand er dort zwei aufgelöste Mitarbeiterinnen, die schnell ihre Tränen wegwischten und ihn dann unschuldig anblickten.
    »Alles klar, meine Damen?«, fragte er vorsichtig.
    »Aber natürlich, Herr Maus. Was soll schon sein?«, entgegnete Steffi etwas steif, stand schnell auf und eilte zur Tür. Dort überlegte sie einen Moment, suchte nach einer Idee, um diese Übersprungshandlung zu kaschieren, und sagte: »Ich besorg uns mal dann die zwei Cola. Oder möchten Sie auch eine, Herr Kommissar?«
    Dankend winkte er ab und als sie gegangen war, fügte er erklärend hinzu: »Dann kann ich nicht mehr schlafen.«
    »Da haben Sie vermutlich recht. Aber ich brauch jetzt Nervennahrung: Zucker, Energie.«
    Maus setzte sich auf den nun frei gewordenen Stuhl.
    »Tja, Claudia, da haben Sie ja auf einen Schlag und unter größter Verschwiegenheit im Alleingang den Mordfall ›Heidi Blum‹ gelöst.«
    Es klang ganz neutral, aber Claudia spürte, dass der Kommissar mit etwas hinter dem Berg hielt. Ängstlich sah sie ihm ins Gesicht, suchte die dunklen Gewitterwolken, den Vorwurf unverantwortlich gehandelt und sich einer tödlichen Gefahr ausgesetzt zu haben. Sie sollte recht behalten. Die senkrecht steile Falte zwischen seinen Augenbrauen verhieß nichts Gutes.
    »Tut mir leid«, flüsterte sie. »Ich dachte mir, ich red mal kurz mit ihm und dann …«
    »… und dann hätten Sie mich informiert, nicht wahr!?«, vollendete Maus den Satz.
    Beiden war klar, wie unglaubwürdig das Ganze klang. Am liebsten wäre der Kommissar jetzt explodiert, hätte seine berechtigte Sorge herausgeschrien, sie geschüttelt, ihr ein für alle Mal eintrichtern wollen, dass er verantwortlich war, dass eine Polizistin nicht wie im Film einfach ihr Ding durchziehen konnte, dass ihm, nachdem er den Bericht gehört hatte, die Haare zu Berge standen. Leider verhinderten zwei Faktoren dieses reinigende Gewitter. Zum einen widersprach es Maus Naturell, in solch heiklen Situationen laut zu werden, zum anderen brach Claudia Hubschmieds reumütiger und gleichzeitig waidwunder Blick ihm jetzt fast das Herz. Er musste sich wegdrehen, sich erst einmal sammeln.
    »Aber ich hab heut scho mehrmals versucht, Sie deswegen … Ich mein, Sie warn sehr beschäftigt …«, kam mit kleiner Stimme ein Erklärungsversuch.
    Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Stimmte das? War er wirklich so beschäftigt gewesen, dass ihm nicht mehr aufgefallen war, was in seinen Mitarbeitern vorging? Die Fälle! Dieser verflixten Fälle!
    »Wie lange kennen wir uns jetzt schon, Claudia?«
    Sie antwortete nicht, war damit beschäftigt, die Tränen zurückzuhalten. Er sah sie wieder an. Aus seinem Gesicht war die Strenge gewichen und machte einer Besorgnis Platz.
    »Lang genug, so hoffe ich, dass Sie durchaus das Recht, ach was, die Pflicht haben, mir alles zu sagen, auch, wenn ich zu beschäftigt sein sollte! Dann müssen Sie eben laut werden, mich am Ärmel oder Kragen packen, von mir aus auf den Fuß treten. Alles ist erlaubt, damit so etwas wie heute nie wieder passieren kann. Verstehen Sie?«
    Ein leichtes Zucken spielte jetzt um ihre Lippen. Sie hatte verstanden und die Vorstellung, ihm heftig auf den Fuß treten zu dürfen, schien ihr auch zu gefallen.
    »Gut! Ich würd ja gerne sagen ›Schwamm drüber‹, aber da müssen Sie mir noch etwas Zeit geben, bis ich das richtig verdaut habe.«
    Es war offensichtlich, dass er nicht so schnell einlenken wollte. Claudia Hubschmied war eine

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