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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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kleinen, geballten Faust zu öffnen. Die in alle Richtungen fliegenden Gebäckteilchen, das wunderbare Knirschen und die klebrigen Krümel an seinen Fingern bereiteten ihm unendlich viel Spaß. Herr Li war wirklich ein Meister im Umgang mit Kindern. Dass dabei aber der Tisch mittlerweile wie ein Schlachtfeld aussah – überall Zellophanfetzen, Zettelchen mit unglaublichen Weisheiten und Keksstücke, die sich teilweise mit verschüttetem Kakao vermengt und so in eine breiige Masse verwandelt hatten –, musste man wohl in Kauf nehmen.
    »Liebe ist das Elternhaus. Reiß es nie ab!«
    »Des is blöd! Noch eins!«
    »Aber nein, das is gar nicht blöd. Du musst dir nur vorstellen … Halt! Nicht, Oskar! Lass die Tasse stehn! NEIN! Ja, spinnst du denn? Siehst du, was du jetzt angerichtet hast? Du ungezogener Bengel! Du kannst doch nicht die Tasse auf den Boden werfen! Jetzt schau dir mal die Scherben an! So eine Schweinerei! Also wirklich! Darfst du dich bei deiner Mama auch so schlecht benehmen?«
    »Der Kaba is alle! Ich will noch einen!«
    »So nicht, junger Mann!«
    Es war erstaunlich, den sonst so ausgeglichenen Herrn Li die Geduld verlieren zu sehen; aber was zu viel war, war zu viel! Ärgerlich stand er auf, machte sich auf die Suche nach Schaufel und Besen und murmelte dabei: »Wart nur Bürschchen, bis ich mit deiner Mutter gesprochen hab …!«
    Noch bemerkenswerter war jedoch, dass sich Maus im Zentrum dieser ganzen durcheinanderfliegenden Gespräche und teilweise desaströsen Handlungsabläufe konzentrieren konnte, aber das war vermutlich seine Gabe. Er konnte – wenn es darauf ankam – das Wesentliche sehen, äußere Impulse filtrieren und in seine Überlegungen einbauen. Irgendeiner der vielen Wortfetzen aus seiner Umgebung hatte jetzt Zugang gefunden, setzte sich schwerfällig in seinem Gehirn ab, schlug sozusagen Wurzeln, stellte Verknüpfungen her, kurbelte den Prozess an, wurde schneller und schneller und wie ein Blitzschlag sah Maus die Lösung vor Augen.
    »Oskars Mutter!«, stieß er hervor. »Ja, sind wir denn alle blind gewesen? Schnabelhuber, schauen Sie nach einer Fahrzeughalterin mit Namen Susanne Klöter! Rasch!«
    »Bingo, Chef!«, jubelte Schnabelhuber, aber Maus ließ sich nicht beeindrucken, denn er hatte es ja gewusst. Stattdessen nahm er Steffi das Handy ab und sagte: »Claudia, ich nehme an, dass Sie noch am Haus der Familie Klöter sind. Schauen Sie bitte nach, ob da irgendwo ein 5er BMW Touring steht. Moment … Ach ja, hier. Schaun Sie nach einem mit der Farbe Mondstein Metallic und getönten Scheiben … Gut, ich geb Ihnen mal Schnabelhuber, damit er Ihnen das Kennzeichen durchgibt. Hab leider meine Lesebrille nicht dabei … Gut, gut bis gleich!«

112
    Der Motor stotterte, sprotzte, klapperte und gab dann keinen Ton mehr von sich. Fassungslos starrte Erika auf das Lenkrad.
    »Nein, nein, nicht jetzt!«, verzweifelt drehte sie den Schlüssel wieder um, versuchte noch einmal zu starten. Ein trauriges Aufjaulen, wieder ein Stottern und der Motor verstummte abermals.
    »Ach Schnuffel, jetzt komm schon. Lass die Mami nicht im Stich! Ich brauch dich doch, Schätzele. Los, gib dir mal mehr Mühe!«
    »Äh, Erika, meinst nicht, dass wir da mal nachschaun sollten? Ich mein, es is ja süß, wenn du mit deinem Auto sprichst, aber …«
    »Das is nicht nur ein Auto! Das is mein alter Freund! Mein Gefährte seit Jahrzehnten und nicht mehr der Jüngste. Mit dem muss man eben lieb und sanft sprechen!«, wütend funkelte sie Wolfgang an, der sich auf dem Beifahrersitz gleich ganz klein machte.
    »Ich mein ja nur …«, murmelte er. Erika seufzte.
    Er hatte ja recht. Sie benahm sich gerade mehr als kindisch, aber die Angst um ihre Freundin ließ sie einfach nicht mehr klar denken.
    »Okay, okay, dann schaun wir halt mal nach«, lenkte sie resigniert ein. »Ich bleib hier und starte den Motor und du guckst unter die Haube.«
    »Äh, wie jetzt? Ich soll da den Fehler finden? Des meinste jetzt aber nicht im Ernst, oder?«
    Sie fuhr herum. Wollte er sie auf den Arm nehmen? Ein Blick in sein erstauntes Gesicht belehrte sie sofort eines Besseren.
    »Was soll das heißen?«, schnauzte sie.
    »Na, dass hier nicht alle Stereotypen passen. Ich bin zwar ein Mann, aber ich hab null Ahnung von Technik! Was meinst, warum ich Kindergärtner geworden bin? Wegen meiner sozialen Ader natürlich und nicht, weil ich den anderen Burschen beim Mopedschrauben auch mal eine Chance auf den ersten Platz geben

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