Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
Vom Netzwerk:
ertönte, gefolgt von einem zweiten, dann stimmten angesteckt immer mehr mit ein. Die Krise war überwunden und an ihre Stelle war ausgelassene Heiterkeit getreten.

146
    Sie hatte ihn endlich wieder losgelassen. Er zitterte. Was würde sie als Nächstes tun? Er brauchte nicht lange zu warten. Der Tritt in seinen Rücken ließ ihn aufstöhnen. Träge fiel er nach vorne, sah den grauen, kalten Boden auf sich zukommen und schlug hart mit dem Kopf auf. Schnell zerrte sie an seinen Beinen. Das Seil! Sie wollte ihn wieder ganz fesseln. Er strampelte, aber selbst ein Rentner am Stock hätte das besser gekonnt. Ehe er sich versah, waren seine Knöchel wieder zusammengebunden, dann schlang sie das Seil weiter und kurze Zeit später war er fest verschnürt. Da lag er nun, bewegungsunfähig, hilflos wie ein Säugling und alles tat weh. Innerlich flehte er, dass sie es endlich zu Ende bringen möge. Sie sollte sich beeilen. Er ertrug die Schmerzen, die Marter, die Demütigungen und sein augenblickliches Leben nicht mehr. Er wollte endlich sterben.

147
    »Was hast du dem denn gesagt?«, fragte Claudia verblüfft. Immer noch waren die Männer köstlich amüsiert.
    »Ähm, ich dachte, das hieße so viel wie: »Wie geht’s?« Aber ehrlich gesagt bin ich mir jetzt auch nicht mehr so sicher. Das hat mir mal eine Ex-Freundin aus Krakau beigebracht. Die war hier ’ne Zeit lang Pflegekraft beim dementen Opa Kramer, bevor er ins Altenheim ging. Aber vielleicht hat sie mich auch nur verarscht!«
    »Nein, nein«, unterbrach jetzt der Anführer das Gespräch und wischte sich eine Lachträne aus dem Augenwinkel. »Nein, das alles richtig. Sie sprechen gut Polnisch. Es ist nur …«
    Weiter kam er nicht, denn ein besonders witziger Kollege aus der Gruppe machte gerade Wolfgangs Stimme nach und schon wieder fingen alle an zu lachen.
    »Ich glaub, es liegt an deinem Akzent, Wolfi. An dem musst du wohl noch etwas arbeiten«, fand Claudia die Lösung des Problems.
    »Genug!«
    Der Gruppensprecher hob jetzt die Hand und wartete, bis das letzte Glucksen in der Reihe hinter ihm erstarb. Schließlich wollte man den nötigen Respekt und Ernst für die nun folgende Verhandlung aufbringen. Ruhe kehrte ein.
    »Dziękuję dobry, mój przyjaciel!«, wandte er sich dann an Wolfgang, der einfach nur nickte.
    »Es geht gut, Freund!«, folgte gleich die freie Übersetzung und zu Wolfgangs Nicken kam ein freudiges Lächeln.
    »Und Frau Polizei erkläre ich, wir sind Arbeiter von Baustelle hier. Wir haben Papiere und Genehmigung. Sind alle in Bauwagen und kann zeigen. Mein Name ist Lukasz Młynarz und das koledzy, Kollegen.«
    Er breitete die Arme aus, als wollte er diesen wie eine Glucke unter seinen Flügeln Schutz gewähren. Claudia ließ die Waffe sinken und das letzte bisschen Spannung fiel von allen ab.
    »Alles klar, Herr M..«
    »Młynarz«, kam er ihr zu Hilfe.
    »Wie auch immer. Mich interessieren Ihre Papiere gar nicht. Ich bin von der Kripo – äh Kriminalpolizei …«
    »Kryminał?«, fragte sofort ein dickerer Mann aus der Bautruppe.
    »Policja kryminalna! Gliny!«, erklärte Młynarz schnell und die anderen nickten anerkennend.
    »Äh, ja genau und wir sind einem Mörder auf der Spur, der …«
    Ihr Verhandlungspartner nahm seine Aufgabe jetzt wirklich sehr ernst, denn schon wieder unterbrach er ihre Rede mit einer Simultanübersetzung. Claudia verdrehte genervt die Augen.
    »Stopp! Stopp! Hören Sie sofort auf, mir ständig ins Wort zu fallen. Hören Sie erst mal zu und dann sagen Sie’s auf Polnisch.«
    »Tak, tak, okay!«
    Trotzdem ließ sie einige Sekunden verstreichen, denn sie traute dem Frieden nicht so recht.

148
    Sie hatte ihren Fuß wieder auf seinen Rücken gestellt, damit er nicht von ihr fortrollen konnte. Eigentlich wäre das ja nicht mehr nötig gewesen, denn er hatte aufgegeben. Sie zurrte die Schlinge fest und er konnte den professionell geschlungenen Henkersknoten im Nacken spüren. Wenigstens hatte er jetzt gute Chancen auf einen sauberen Genickbruch. Sie hatte sich wieder aufgerichtet und bewegte anscheinend den Oberkörper, denn der Fuß auf seinen Schulterblättern verlagerte das Gewicht und sie kam leicht ins Wanken. Ein leises Surren verkündete, dass das Seil in die Luft geworfen wurde, ein metallenes Klack, dass das Ziel, der Stahlträger, genau über ihnen war. Sie hatte offenbar nicht getroffen, denn ein kleiner Fluch entschlüpfte ihren Lippen. Dann eben noch einmal. Schon wieder nicht! Er versuchte, den Kopf zu

Weitere Kostenlose Bücher