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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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In Gedanken reihte er noch den Begriff »mieser Abrichter« seiner noch offenstehenden Rede hinzu.
    Der ohrenbetäubende Knall eines Schusses, verstärkt durch das Echo der Felsen, ließ alle zusammenfahren. Einige Sekunden herrschte Totenstille! Dann antwortete der Wald: Erschrocken aufflatternde Vögel, ein größeres Tier, das in Panik durch ein nahes Gehölz brach, Wastis Gebell und ein weiterer Stein, der sich diesmal unter dem Oberförster löste, sodass dieser mit rudernden Armen das Gleichgewicht halten musste und daher das Halsband des Hundes losließ, der sofort wie eine Rakete den Berg hinabschoss.
    »Kruzifix!«
    »Scheiße, was war denn das?«
    »Da hot oana g’schossn!«
    »Verdammt, das Schwein kauf ich mir! Wer in der Schonzeit auf Wild schießt, wird es noch bereuen, geboren worden zu sein.«
    Dieser Satz war das Startsignal. Alle drei rannten dem Hund hinterher.

13
    Sie lag auf einer kleinen Lichtung. Die Sonne beschien mit ihren wärmenden Strahlen den schlanken Körper. Ein paar Wildbienen summten um die Waldanemonen, die jetzt überall ihre weißen Köpfchen dem Frühling entgegenstreckten. Ein Specht ließ sein Stakkatoklopfen ertönen. Ihre Augen waren aufgerissen, ihr Mund leicht geöffnet, als wollte er noch ein erstauntes »Oh« sagen. Ihre schwarzen Haare umrahmten das weiße Gesicht und verliehen ihr eine zerbrechliche Schönheit, die sie zu Lebzeiten nie gehabt hatte. Plötzlich flogen Blütenköpfe, zarte Grashalme und Erdbrocken. Wasti war da! Aufgeregt schnüffelnd umkreiste er sie, leckte über die Hand, jaulte und lief hechelnd ein paarmal um sie herum. Dann begann er, kurz und kräftig zu bellen. Er hatte die Beute gesichert. Äste knackten, Hannes fluchte, da er gestolpert war und Claudia Hubschmied, dicht gefolgt vom Oberförster, erreichte die Lichtung.
    Die aufgestaute Wut des Waldhüters, hier sicherlich das Werk eines Wilderers vorzufinden, verflog in Sekundenschnelle, als er mit Entsetzen den toten Körper sah.
    »Jesses, Maria und Josef! Das is ja ein Mensch! Wasti! Geh her! Bei Fuß! Weg da!«
    Das treue Tier – sichtlich beglückt, seinem Herrn so gute Dienste geleistet zu haben – sprang aufgeregt bellend zu ihm, um dann auch gleich wieder kehrt zu machen und ungestüm über Claudias Gesicht zu lecken, die sich neben die Tote gekniet hatte.
    »Bäh, geh weg, du narrisches Viech!«
    »Ist sie … Ist sie tot?«
    »Hm, ja. Ein Schuss in die Stirn.«
    »Aber, das ist ja die Anni!«
    Entsetzt, als ob er etwas Verbotenes gesagt hätte, schlug sich der Oberförster die Hand vor den Mund. Hannes, leicht hinkend und noch mit einem Zweig kämpfend, der ihm auf der Zielgeraden ins Gesicht geschlagen hatte, kam schweratmend am Platz an.
    »Scheiße, he, da war so … Oh nein! Ist das nicht die Kindergärtnerin?«
    »Ja …«, traurig drehte sich Claudia zu dem Kollegen um, »… ja, des is die Anni Hintersee.«
    Hannes musste erst einmal die Hände auf die Knie stützen, um vorgebeugt zu Atem zu kommen, was Wasti wieder als eine gute Gelegenheit sah, auch diesem Menschen seine Zuneigung zu beweisen, indem er ihn ansprang.
    »Herr Oberförster!«, brüllte der genervte Norddeutsche empört. »Jetzt reicht es mir. Leinen Sie sofort Ihre verdammte Töle an, sonst vergesse ich mich. Hier ist ein Mord geschehen und dieses Vieh zertrampelt alle Spuren und fällt Polizeibeamte an!«
    »Mei, jetzt mal Piano«, brummelte der abgekanzelte Mann und packte Wasti am Nackenfell, worauf dieser empört aufjaulte. Noch einen letzten hasserfüllten Blick auf den Oberförster, dann wandte sich Hannes der Toten zu. »Wow, das nenn ich mal einen Treffer. Genau zwischen die Augen!«
    »Glaubst du, sie hat ihren Mörder gekannt?«
    Mit Genugtuung registrierte Hannes, dass Kommissarin Claudia Hubschmied zu dem vertraulichen »du« übergegangen war. Ein Umstand, der auf den Schreck ihrer jüngsten Entdeckung zurückzuführen war, ihm aber gut gefiel. Zumindest war das ein unmissverständliches Zeichen, dass er augenblicklich bevorzugter als der Waldschrat war.
    »Hm, meiner Meinung nach kam der Schuss aus nächster Nähe. Siehst du die Größe des Lochs, das das Projektil in Annis Stirn hinterlassen hat? Auch die Wundränder sind aufschlussreich! Ich bin zwar kein Fachmann, aber der Täter kann nicht weit weg gestanden haben, es kommt fast schon einer Hinrichtung gleich. Ich schätz mal auf ’nen Abstand von vier, höchstens fünf Metern. Wenn sie also so daliegt, sich eventuell im Fall gedreht hat,

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