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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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Tür, sah in der Dunkelheit natürlich ebenfalls nichts, wurde nur von dem einen Wunsch beseelt, die Flüchtenden endlich zu schnappen, sprintete deshalb ohne zu denken los und flog selbstverständlich über die am Boden Liegenden.
    Auf der anderen Seite – durch die Tür gen Nordwesten – drängten nun ebenfalls mehrere Personen in den Saal, verteilten sich aber gleich wieder in dem Raum, um Position zu beziehen, sodass man nur hoffen konnte, hier endlich Profis am Werke zu sehen. Hannes konnte sich mittlerweile schon aufsetzten und versuchte, in dem Menschenknäuel nicht weit vor sich Claudia zu erkennen; ein aussichtsloses Unterfangen.
    Alle vier – Claudia, Erika, Sandra und Krautschneider – wanden, verhakten, ringelten, verzahnten, verkrallten, verkeilten sich ineinander. Es wurde geflucht, gekrabbelt, gebissen, gequält, geschimpft, getreten, gezogen, gekratzt, geschrien, geschlagen, gekniffen, geboxt, geschluchzt und gerungen. Sie konnten sich anscheinend selbst nicht mehr auseinanderhalten. Krautschneider gelang es dann schließlich doch noch, sich aus dem Haufen zu schälen, und er zog sich wie ein waidwundes Tier an den Rand, wo er erst einmal stöhnend liegenblieb. Plötzlich flammte das Licht der Scheinwerfer auf. Einer der Bauarbeiter hatte den Schalter umgelegt, eilte aber sofort zu seinem Kollegen, der bereits bei den Amazonen stand und eine Favoritin für eine schnelle Wette suchte.
    Mit Erleichterung sah Hannes Kommissar Maus, der mit erhobener Waffe ganz in seiner Nähe stand und seinen Männern zunickte, denn der Raum war offenbar gesichert. Endlich, sie waren in guten Händen, der Albtraum wäre gleich vorüber. Als hätte der Einsatzleiter die erwartungsvolle Erleichterung gespürt, ließ er auch gleich seine klare, ruhige Stimme – nur etwas lauter, damit er den Radau übertönen konnte – erklingen.
    »Hammer, Schnabelhuber, junger Kollege, entwirren Sie mal die Damen!«
    Vorsichtig machten die Aufgeforderten sich an die gefährliche Arbeit, aber Claudia Hubschmied, die ja nun endlich etwas sehen konnte, hatte sich schon selbst befreit. Sie stand auf, musste sich dann aber doch gleich auf Hammer stützen, denn ihr Bein schmerzte dank Erikas gezielten Tritten. Sie hatte auch das Gefühl, dass sich ihre Kopfhaut zu lösen begann, und für das brutale Haareziehen hatte sie Krautschneider in Verdacht. Kollateralschaden hin oder her, es tat höllisch weh. Sie war sauer auf ihn und wollte ihm deswegen einen wohlverdient giftigen Blick zuwerfen.
    Leider wurde ihre Aufmerksamkeit dabei sofort auf den Mann gelenkt, der jetzt hell erleuchtet, und nur wenige Meter entfernt, immer noch an dem Seil hing. Claudias Augen weiteten sich vor Entsetzen. Sämtliche medizinischen Vorbereitungskurse mit kriminaltechnisch forensischer Grundlage hatten sie nicht darauf vorbereiten können. Was da nicht weit vor ihrer Nase baumelte, übertraf alles, war so unbeschreiblich grauenvoll, dass sie erst einmal zu keiner nennenswerten Reaktion fähig war. Sie starrte, schluckte, fühlte einen Würgereiz. Sie meinte ebenfalls, ersticken zu müssen und daher blieb ihr nur noch eine einzige Möglichkeit: Sie musste sich Luft verschaffen, den Schock über den Anblick aus sich herauslassen.
    Sie fing an zu schreien! Ihr Schrei war unerwartet hoch, schrill und trommelfellzerreißend. Sie konnte nichts dafür, wollte damit nur das schreckliche Bild zerstören, das sich immer mehr in ihre Netzhaut einbrannte. Dieser blaue Kopf, die rotunterlaufenen – nein, sie musste sich korrigieren, während sie Atem holte –, die hervorgequollen Augäpfel waren rot! Rot! Und die Hände schneeweiß! Es sah so erschütternd schrecklich aus, so furchtbar, so schauderhaft, so unvorstellbar grässlich.
    Eine schallende Ohrfeige brachte sie wieder zur Besinnung. Vor ihr stand Doktor Frank, eine stumme Entschuldigung in seinem Blick. Dann legte er den Arm um sie und drehte sie sanft weg, weg von dem Toten.
    »Is gut, meine Liebe! Ganz ruhig! Ich kann Sie verstehen, denn so ein Erhängter is wirklich kein allzu schöner Anblick. Wissen Sie, mir ging es bei meinem ersten auch nicht besonders gut. Ich mein, an diese Farbkombinationen muss man sich erst einmal gewöhnen.«
    »Ja, Sakra, des is ja der Möller!«, bemerkte Hammer. »Mei, is der schirch. Des is aber auch keine schöne Art, so zu sterben! Und den Mund hat man dem armen Kerl auch noch zugeklebt, damit er nicht mehr schreien konnt!«

178
    Wolfgangs Hand rieb unbewusst über die

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