Der Semmelkoenig
wir so viele Zeugen hatten, mussten wir uns auf alle Räume verteilen.«
Entschuldigend lächelnd wandte sich der Beamte, der Maus ebenfalls völlig unbekannt war, wieder dem jungen Pärchen zu.
»Also, wo waren wir stehen geblieben?«
»Das ging alles so schnell«, fuhr die Frau fort und strich dabei nervös ihre zerrissene Dirndlschürze glatt. »Eben noch hatten wir eine super Gaudi und standen auf den Bänken und plötzlich flog schon der erste Bierkrug …«
Maus hatte genug gehört. Schnaubend packte er Sebastian Blum am Arm, drehte sich um und warf die Tür seines eigenen Büros hinter sich zu. Wütend überlegte er, wo er jetzt seine bei weitem wichtigere Arbeit verrichten sollte. In Anbetracht der wartenden Leute im Korridor konnte er wohl vergessen, heute noch ein ruhiges Plätzchen zu finden. Hammer – wichtigtuerisch und ganz in seinem Element, da er die hinzugezogenen Kollegen aus der nächsten Kreisstadt herumkommandieren konnte – schritt an den Wartenden vorbei und bemerkte beiläufig: »Sie sollten es vielleicht mal im Umkleideraum versuchen. Da ist bestimmt noch was frei! Übrigens …«, der Hafer schien ihn zu stechen, » … Sie tragen da ein interessantes Parfüm. Ein bisschen blumig vielleicht, aber doch zum Frühling passend!«
Zu spät erkannte er, dass er in einem Anfall von Größenwahn zu weit gegangen war. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.
»Hammer!«, brüllte der Kommissar Maus, »Sie haben jetzt genau fünf Minuten Zeit, mein Büro räumen zu lassen. Verschwinden Sie mit allen Kollegen, die ich nicht kenne, und Ihren besoffenen Seppels allesamt selber in der Umkleide! Und zwar pronto! Ich habe hier einen Mordfall zu klären. Also höchste Priorität! Und wenn Sie mit dieser Zirkusgesellschaft fertig sind, melden Sie sich sofort bei mir! Sie sind ab sofort zur Nachbarschaftsbefragung eingeteilt. Und wenn es Ihnen nicht passt, dann sehen Sie sich schneller, als Sie denken, als Fußstreife auf der Kuhweide wieder! Haben Sie mich verstanden?«
Sebastian Blum neben ihm zuckte genauso zusammen wie Hammer. Zufrieden registrierte Maus, dass er den richtigen Ton getroffen hatte. Während um ihn herum ein hektisches Treiben einsetzte, hob er verstohlen den Arm und schnupperte daran. Heidis Parfüm roch wirklich sehr blumig. Er hoffte, dass er diesbezüglich seiner Frau gegenüber nicht in Erklärungsnot geraten würde, denn, dass er sich mit einem wildgewordenen Rechtsradikalen in den Schminkutensilien des Mordopfers gewälzt hatte, klang, obwohl es ja die Wahrheit war, irgendwie unglaubwürdig.
17
»Ich hab hier auch keinen Empfang«, Claudia Hubschmied hielt zur Bestätigung ihr Handy hoch. »Ich werd wohl mal rausgehen, um die Kollegen wegen des zweiten Mordfalls zu informieren. Ach übrigens, Herr Oberförster, Sie solltn wissa, dass Ihr Hund gerade auf einer der Patronenhülsen rumkaut.«
18
Schwer aufseufzend, ließ sich Kommissar Maus in seinen Schreibtischsessel fallen, der ebenfalls glücklich ächzte, da er wieder das passgenaue Hinterteil zu spüren schien, das ihn jahrelang geformt hatte.
Endlich Ruhe! Zwar wäre der Kommissar mit Sebastian Blum lieber in einem der Verhörräume gewesen, aber in Anbetracht des augenblicklichen Chaos, war er froh, wenigstens sein Büro wiederzuhaben. So versöhnt lächelte er Steffi an, als diese mit hochrotem Kopf zu ihnen in den Raum stürmte.
»Herr Kommissar, nicht nur, dass Sie von mir verlangt haben, die Beweisstücke mit dem Fahrrad zu transportieren …«
Maus überlegte. Hatte er das wirklich? Ja, in der ganzen Aufregung durch die Festnahme des jungen Blum, war ihm wohl entfallen, dass Steffi nur mit dem Rad unterwegs gewesen war. Entschuldigend – und, wie er meinte, sehr treuherzig – lächelte er Steffi weiter an.
»Ich bin noch nicht fertig! Fakt ist: Sie haben mich einfach zurückgelassen, ohne dass wir jemanden hatten, der sich um Frau Blum kümmerte!«
Sebastian schnaufte verächtlich.
»Das ist mir schon klar, dass den Herrn Sohn nicht interessiert, was seine Mutter gerade durchmacht!«, bemerkte Steffi spitz.
Maus war ganz froh, nicht mehr die Zielscheibe ihrer Empörung zu sein, doch leider änderte sich das sofort wieder.
»Den Kommissar sollte es aber interessieren! Fürs Protokoll: Ich hab den Hausarzt verständigt und ihre Freundin Erika Noller. Damit sie aber nicht allein ist, bis die beiden eintreffen, musste ich Frau Wieland als Babysitter einsetzen.«
Maus seufzte. Ihm wäre
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