Der Semmelkoenig
hinuntergestürzt. Torkelnd bremste er mehr oder minder elegant auf dem Gehsteig ab, blieb schwankend stehen und überlegte offensichtlich, wo und wer er überhaupt war. Plötzlich schien er sich an etwas zu erinnern.
»Scheiß Weiber!«, hallte es über den Platz.
»Bitter! Des da war grad dem Bäckermeister Möller sein Schorschi. Also sein Sohn Georg.«, stellte Hammer dem Kommissar nachträglich den Betrunkenen vor. »Der verträgt offensichtlich nicht allzu viel. Da is sein Vater aber aus einem ganz anderen Holz geschnitzt, sag ich Ihnen!«
Hammer schüttelte den Kopf und fuhr dann mit ernster Miene fort:
»Ja, Herr Kommissar, ich denke, Sie sind im Bilde. Der Georg Möller ist der Verlobte von unserer geschätzten Kollegin Hubschmied. Vielleicht sollten wir es ihr nicht gleich auf die Nase binden. Die kriegt es selbst früh genug raus. Dem werden heute noch die Leviten gelesen, das sag ich Ihnen.«
Maus bezweifelte, dass sich Hammer – der nicht umsonst als größte Tratschtante des ganzen Reviers bekannt war – hier lange diskret zurückhalten konnte. Langsam die rechte Augenbraue hochziehend, signalisierte der Kommissar, dass er immer noch auf eine Erklärung wartete und seine Geduld fast am Ende war.
»Ach so, Sie wollten wissen, was hier passiert ist?«, Hammer war jetzt in seinem Element. »Eine Massenschlägerei auf dem Frühlingsfest. In der »Schafsresi« sind ein paar mit Maßkrügen aufeinander losgegangen. Die anderen haben sich dann nicht lange bitten lassen. Das Zelt ist nur noch ein Trümmerfeld. Das kommt davon, wenn zu viel Alkohol und zu viele resche Derndl im Spiel sind. Die Kerle flippen aus. Aber wenn Sie glauben, dass hier viel los ist, sollten Sie mal einen Blick in die Klinik werfen. Heuer ham die wirklich übertrieben. Von mir aus können die nächstes Jahr den Trachtennachmittag ausfallen lassen!«
15
Hannes Petersen spähte durch das kleine Fenster der Jagdhütte. Ein dunkler Raum, ein großer Kamin, gemütliche Sessel, ein Sofa und in der Ecke konnte er so etwas wie eine Kochzeile ausmachen. Als der Oberförster ihn kurz darauf hinwies, dass die Tür überhaupt nicht verschlossen sei, ließ er sich extra viel Zeit, denn er grollte dem Waldschrat immer noch. Neben den offensichtlichen Versuchen, ihn bei Claudia auszustechen, unterstellte Hannes ihm jetzt auch noch großzügig Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung von Nicht-Weißwurst-Essern. Daher schlenderte er besonders langsam zum Eingang, murmelte »Grobe Fahrlässigkeit«, bevor er mit hocherhobenem Haupt über die Schwelle schritt und dabei souverän Claudia Hubschmieds Einwand, dass man hier strenggenommen Hausfriedensbruch begehe, ignorierte.
»Gehört zum Tatort, zu den Ermittlungen, Mörder auf der Flucht, Gefahr in Verzug und ich will verdammt sein, wenn wir hier nix finden! Außerdem war die Tür ja unverschlossen. Also ist die Hütte für die Öffentlichkeit zugänglich.«
Mit selbstgerechter Zufriedenheit ließ er seinen Blick jetzt noch einmal durch den Innenraum gleiten. Gemütlich war es hier; auf eine rustikale, biedere Art. Er mochte das. Es roch nach Holz, nach Wald, nach Leder, nach maskuliner Freiheit. Der riesige, ausgestopfte Eberkopf – er hatte nicht gedacht, dass solche Exemplare überhaupt existierten – über dem Kamin, die Hirsch- und Rehbockgeweihe an den Wänden, die Bar mit allem, was das Herz begehrte, der Waffenschrank …
»Da hat sich wohl jemand mit Gewalt bedient!«
Auf dem Boden vor dem Schrank lag eine aufgerissene Schachtel, die Patronen waren überall verstreut.
»Hier hatte es jemand wohl sehr, sehr eilig!«
Hannes ließ prüfend den behandschuhten Zeigefinger über die aufgesplitterte Furnierkante der Schranktür gleiten. Vermutlich hatte sich der Täter mit einer Brechstange Zugang verschafft. Langsam schwang die Glastür auf. Im Halbdunkeln konnte man sehen, dass eine Vorrichtung für die Gewehre leer war.
»Herr Oberförster«, es half alles nichts, er musste doch wieder mit dem Mann, den er beschlossen hatte ein für alle Mal zu ignorieren, sprechen. »Herr Oberförster, würden Sie mal herkommen und schauen, was hier fehlt?«
16
»Wie soll ich denn das jetzt verstehen?«
Maus war in höchstem Maße und vollkommen zu Recht aufgebracht. Nicht nur, dass er dank der vielen Menschen Mühe hatte, bis zu seinem Büro vorzudringen, jetzt musste er auch noch feststellen, dass es besetzt war.
»Tut mir leid, aber wir müssen alles aufnehmen. Das ist Vorschrift! Und weil
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