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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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Wagen. Jetzt erst bemerkte er, dass die ganze Straße mit Einsatzwagen und Privatautos vollgestellt war. Das sonst so ruhige, verschlafene kleine Revier war quasi umstellt. Was war denn hier los? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Als Maus, den mürrisch dreinblickenden Sebastian Blum vor sich herschiebend, die Tür des Gebäudes öffnete, blieb ihm vor Überraschung der Mund offen stehen. Der sonst so menschenleere Empfangsbereich hätte heute eigentlich wegen Überfüllung geschlossen werden müssen. Alle fünf – für eventuelle Wartezeiten und daher fast fabrikneuen – Stühle waren zum Teil doppelt besetzt. Vier junge, Dirndl tragende Frauen quetschten sich kichernd auf zweieinhalb, drei Männer in Lederhosen auf die übrigen Sitzgelegenheiten. Der Rest – Maus ließ schätzend den Blick über die Menge gleiten – stand herum, lehnte an der Wand, hockte auf dem Boden und einer lag sogar vor der Toilettentür, das Gesicht grün. Fast alle trugen süddeutsche Trachten. Die Luft war geschwängert mit einem Geruchsgemisch aus Alkohol, Nikotin, billigem Parfüm, Erbrochenem und einer zarten Note aus Moschus und Blut. Warum dachte denn niemand daran, ein Fenster zu öffnen?
    Die Tür der Diensträume ging auf und Polizeiobermeister Hammer trat heraus. Hinter ihm wurde ein Mann mit wirrem Haar, einem Veilchen und blutverkrusteter Nase von einem, Maus völlig unbekannten, Polizeikollegen hinausgeführt. Der grüngesichtige Mann vor der Toilette begann zu röcheln, aber niemanden schien das zu stören.
    Klein, dick, plattfüßig und leicht zu übersehen spähte jetzt Polizeimeister Friedrich Schnabelhuber über den Empfangstresen und ließ seine quäkende Stimme ertönen.
    »So, jetzt mal Achtung, meine Herrschaften! Die, die nicht dringend in die Notaufnahme müssen« – das Röcheln wurde lauter – »ihr wisst schon, das Krankenhaus ist genau gegenüber, andere Seite vom Platz. Also, die, die da nicht hinmüssen, halten sich jetzt mal bereit, damit wir die Personalien aufnehmen können.«
    Das Röcheln verstarb, eine der jungen Damen bekam einen Kicheranfall. Schnabelhuber – sensibel wie alle zu klein geratenen Männer – zuckte zusammen, nahm es natürlich persönlich, lief rot an, stürmte hinter dem Tresen hervor und schrie in den höchsten Oktaven.
    »Ruhe verdammt noch mal! Das ist hier eine Polizeistation und kein Affenhaus! Hier herrschen Ordnung und Disziplin und alle haben jetzt gefälligst …«
    Weiter kam er leider nicht, da plötzlich eine Kamera vor sein Gesicht gehalten wurde. Der ausgelöste Blitz beeinträchtigte für ein paar Sekunden sein Sehvermögen. Lustige bunte Vierecke tanzten vor seinen Augen. Schnabelhuber musste heftig blinzeln. Langsam konnte er ein paar dicke, unrasierte Beine in einem karierten Rock vor sich ausmachen. Die Dame schien gut gebaut und ganz nach seinem Geschmack! Der kleine Beamte hob daher schnell den Kopf, starrte auf die Kamera, die viel zu zierlich für die riesigen Hände war, hob den Kopf weiter, sah einen breiten Brustkorb, mächtige Schultern und dann ein rotes, freundliches und vor allem bärtiges Gesicht.
    »Was … Was soll denn das?«
    »Ay man! You remind me of my uncle Fred!«
    Ein weiches rollendes »r«, eine eigenartige Sprache; das war ein Fremder, ein Ausländer! Das war kein Tiroler, sondern eine Spur exotischer: ein Schotte!
    »C’mon, I show you.«
    Bevor sich Schnabelhuber versah, hatte ihn der andere schon an den Schultern gepackt und so gedreht, dass er gezwungen war, auf ein Display zu starren, das ihm unter die Nase gehalten wurde.
    »Das reinste Irrenhaus, Herr Kommissar«, grüßte Hammer.
    »Das seh ich auch so. Was ist denn passiert?«, fragte Maus.
    Hammer klopfte grinsend dem lädierten Mann, der von dem unbekannten Kollegen gestützt werden musste, auf die Schulter.
    »Schorschi, wenn ich du wäre, würde ich gleich mal zum Doktor schaun. Die Hand scheint mir durch deine Rauferei gebrochen!«
    »Schmarrn! Des is nix.«
    »Na, des musst du wissen. Aber Obacht, heut lässt die Finger vom Alkohol, host mi!? Ich hab bei dir dahoam angerufen. Dein Vater is ned da. Da hast aber Glück g’habt. Aber es kommt gleich einer und holt dich ab. Also wart draußen, klar!?«
    »Ja, ja!«, maulend schob sich der Betrunkene an den Beamten vorbei.
    »Du verdammtes Arschloch!«, zischte Sebastian Blum dem Vorbeigehenden zu.
    »Fick dich selber!«, war die schlagfertige Antwort und beinahe wäre Schorschi die Eingangsstufen

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