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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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Sie.«
    Hannes schob sich an der spanischen Haushälterin vorbei, die hoch erhobenen Hauptes – ein Umstand, der nicht weiter auffiel, da sie nur einen Meter fünfzig groß war – und würdevoll ein bisschen Platz gemacht hatte. Bei Claudias Anblick schmatzte sie nur leicht angewidert und ließ dann die Tür demonstrativ laut ins Schloss fallen.

43
    »Wollen wir denn nicht lieber rauf ins Schlafzimmer?«
    Wolfgang stolperte, da die Jeans jetzt an seinen Knien hing, und riss Sybille mit sich. Diese fing an zu kichern und flüsterte ihm mit heißem Atem ins Ohr.
    »Da kommen wir auch noch hin! Aber der Weg ist mir jetzt einfach zu weit. Ich will dich sofort! Hier und gleich!«

44
    Hannes Gefühlsleben war gänzlich durcheinander geraten und das war äußerst unangenehm. Er wusste auch nicht, was er eigentlich erwartet hatte. Zumindest war er nicht besonders überrascht, dass sich in der Villa Protz und schlechter Geschmack vereinten, denn er hatte ja schon die Jagdhütte gesehen. Menschen mit Geld irritierten ihn nicht. Sie mussten ja irgendwo leben. Aber die kleine Tatsache, dass seine Kollegin Claudia Hubschmied auch hier wohnen sollte, machte ihn fast wütend. Irgendwie fühlte er sich verraten, belogen und ausgenutzt. Die Frau, die den ganzen Tag unaufhörlich in seiner Achtung gestiegen war, wurde plötzlich zum gefallenen Engel. Fast angewidert blickte er auf den braunen Lockenkopf, der jetzt an seiner Schulter lehnte, während er sich abmühte, sie nicht gerade sanft die Treppe in den ersten Stock zu ziehen. Was Hannes aber besonders ärgerte, war dieses kleine Fünkchen Hoffnung in seinem Herzen, das ihm tatsächlich erlauben wollte, an ein Missverständnis zu glauben. Grob packte er Claudia an den Schultern und lehnte sie gegen die Wand, um die Tür zu den oberen Stockwerken zu öffnen. Eine Art Loft – moderner, aber nicht minder prunkvoll, mit Designermöbeln ausgestattet – tat sich vor ihnen auf.
    »Is ganz schee übertrieben, was? Mir gefällt’s aah ned!«
    Sie war an ihm vorbeigegangen und breitete die Arme aus.
    »Wenn’s nach mir gehn dad, hätt ich hier nur gemütliche Sachen. Ne kuschelige Couch, ’nen urigen Sessel, ’ne kitschige Lampe und vor allem Farbe, Farbe, Farbe. Des Weiß und Schwarz deprimiert mich ganz schön.«
    Eine Haarsträhne war ihr ins Gesicht gefallen. Während sie versuchte, diese zur Seite zu schieben, lächelte sie ihn schief an. Das hätte sie besser nicht tun sollen, denn Hannes Herz zog sich schmerzlich zusammen. Hin- und hergerissen zwischen Wut, Enttäuschung und einem Gefühl, das er nicht näher benennen wollte, wandte er sich ab und starrte durch das große Panoramafenster in die langsam untergehende Sonne. Seine Augen taten weh. Na und? Sollten sie doch! Das würde dann wenigstens verhindern, sie noch einmal klar zu sehen.
    »Ich werd hier alles anmalen! Der Kindergarten hat mich heut sooooo inspiriert!«
    »Mensch Claudi, jetzt mach doch ned so an Krach!«
    Hannes zuckte zusammen. Das edelmütige, aber doch so schwache Fünkchen Hoffnung bäumte sich ein letztes Mal auf und erlosch in dem Augenblick, als er den halbnackten Mann sah, der sich mühsam vom Sofa aufrichtete.
    »Ich hab doch irre Kopfschmerzen!«, kam die Erklärung.

45
    Die Gärtner waren mit dem Einladen fertig. Der ältere der beiden ging um den Wagen herum und verschwand im Führerhäuschen. Von dort reichte er seinem Kollegen eine Packung Zigaretten. Maus streckte sich und musste gleichzeitig gähnen. Das war wirklich ein langer Tag gewesen und er war noch nicht vorüber. Vermutlich warteten noch einige Stunden Arbeit auf sie. Seine Frau würde wohl das Essen in den Ofen stellen, einen Zettel auf den Tisch legen und ihm mit einem Herzchen – Inga liebte Piktogramme – alles zu verstehen geben, was sie beim Zeichnen gefühlt hatte: Vermisse dich! Das Abendessen ohne dich war langweilig! Ich habe wie immer mit Liebe gekocht! Sei bitte leise, wenn du ins Bett gehst, und mach alle Lichter aus!
    Er lächelte und blickte dabei direkt in die Augen des rauchenden Gärtners, der sich sofort angesprochen fühlte, anerkennend eine Augenbraue hob und die Lippen wie zu einem Kuss spitzte. Was sollte das denn? Reflexartig drehte Maus sich um, in der Hoffnung, dass hinter seinem Rücken eine hübsche Frau stehen würde. Doch da war natürlich niemand. Zu seinem Schrecken musste er sich daher sofort eingestehen, dass er das Opfer dieses Flirtversuchs war.
    Aus einem der geöffneten Fenster drang jetzt

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