Der Semmelkoenig
überaus interessanten Schlagabtausch bequem sitzend weiterzuverfolgen. Aber von Natur aus genügsam, haderte er nicht lange mit dem Schicksal und lehnte sich wieder an seinen alten Platz.
Wolfgang hatte sich mittlerweile etwas gefangen und gab jetzt fast bockig eine weitere Erklärung ab: »Ich hab nicht nur was mit verheirateten Frauen. Das ist gemein. Außerdem stellst du mich wie ein männliches Flietscherl dar!«
»Bist du auch!«
Zu bitter klangen diese Worte in Hannes Ohr. Es war offensichtlich, dass Erika enttäuscht war, nicht zu Wolfgangs Auserwählten gehört zu haben. Vermutlich hatte dieser seinen komischen Kodex auch nur aufgestellt, damit nicht seine verknöcherte Chefin auf die Idee kommen würde, ihr Recht einzufordern.
»Bin ich nicht!«
Wie ein trotziges Kind stampfte Wolfgang mit dem Fuß auf.
»Zum Beispiel hab ich mit Susanne seit über einem Jahr eine ernstzunehmende Beziehung! Und die ist alleinerziehend, wie du ja weißt.«
»Klar, alleinerziehend, aber wohlhabend!«
Hannes grinste. War das ein schönes Gespräch. Da wurde vor seinen Augen dreckige Wäsche gewaschen und er hatte nichts dazutun müssen.
»Außerdem würde ich Sex nicht Beziehung nennen«, fuhr Erika giftspritzend fort. »Die benutzt dich doch wie alle anderen auch lediglich als Spielzeug.«
Es war nun offensichtlich, dass Erika auch gerne mal gespielt hätte. Irgendwie tat sie Hannes leid.
»Ach hör doch auf!«
Wolfgang ging zurück zum Käfig und setzte Sauli behutsam hinein. Er hatte nun beschlossen, seine Chefin zu ignorieren. Liebevoll strich er noch einmal über den Rücken des Tieres, nahm dann den Wasserspender vom Käfig ab und ging zur vollgestellten Spüle, um dort festzustellen, dass es unmöglich war, an die Armaturen zu kommen, ohne vorher das Geschirr wegzuräumen. Nach innerer Ruhe suchend, starrte er eine Weile vor sich hin. Es gelang ihm offenbar nicht, denn gleich darauf warf er wütend den Wasserspender auf den Geschirrberg und drehte sich um.
»Du kannst so ein gemeines Miststück sein, Erika! Du willst mich nur wieder klein machen. Was hab ich dir denn getan? Ich hab immer zu dir gehalten. Auch gestern, als du mit Anni gestritten hast, nachdem sie das Handy gefunden hatte …«
Zu spät merkte er, dass ihm da jetzt wirklich eine Indiskretion herausgerutscht war. Anscheinend hatte er im Vorfeld mit Erika eine Vereinbarung getroffen, aber mittlerweile war er so verletzt, dass er jetzt einfach blind zurückschlagen musste. Für einen kurzen Moment sahen sich die beiden schweigend an. Er feindselig, sie erschrocken, dann wandte er sich an Hannes.
»Ich möchte hiermit zu Protokoll geben, dass sich Frau Noller und Frau Hintersee gestern wegen einem Handy gestritten haben. Es war das von …«
»Heidi Blum!«, vollendete Hannes den Satz. Irgendwie war er nicht sonderlich überrascht.
»Genau! Anni hatte es gefunden. Wo? Bitte fragen Sie mich nicht, denn sie hat es uns nicht sagen wollen. Richtig bockig war sie und als Erika wollte, dass wir es der Polizei geben, hat Anni sie ignoriert und stattdessen angefangen, die SMS zu lesen. Irgendwas hat sie da stutzig gemacht. Sie hat gesagt, dass sie jetzt endlich wisse, was da die ganze Zeit dahintergesteckt hätte. Na ja, und um die Sache abzukürzen: Die zwei haben sich gestritten. Die sind richtig aufeinander losgegangen. Wir, also ich und Susanne, haben sie trennen müssen. Susanne hat versucht, in Anni zu dringen, während ich mich um Erika gekümmert hab. Aber viel genützt hat es ja nicht, bei diesen zwei Vulkanen! Warum hast du sie denn weiter so angekeift, Erika? Sie war doch schon wieder fast ganz ruhig? Susanne hatte sie beinahe so weit, dass sie das Handy rausgerückt hätte. Ich hab’s gesehen, denn Anni hat genickt und ›Scho recht!‹ hat sie gesagt. Aber nein, Frau Chefin wollte es auf ihre Weise erledigen. Die Brüllerei ging wieder von vorne los und dann ist Anni in den Wald gelaufen. Tja Erika, tut mir leid, jetzt ist es raus.«
Hannes massierte sich nachdenklich den Nacken. Instinktiv wusste er, dass Wolfgang kein besonders guter Schauspieler war. Er war so, wie er eben war: geradlinig, etwas naiv, aber ehrlich. Im Geiste und mit etwas Wehmut strich Hannes den Kindergärtner von seiner persönlichen Täterliste. Anni hatte ihn schützen wollen, hatte demonstrativ das Handy gezeigt, die Textnachrichten in seiner Gegenwart gelesen und er hatte nicht reagiert, weil er unschuldig war. Hannes Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass Typen
Weitere Kostenlose Bücher