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Der Semmelkoenig

Der Semmelkoenig

Titel: Der Semmelkoenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Hirschel
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wie Wolfgang die nötige Kaltblütigkeit fehlte, als Unschuldslamm aufzutreten, wenn sie es nicht waren. Vielleicht war er nicht ganz so dumm wie er tat. Trotzdem hätte er sich bestimmt schon längst verplappert. Außerdem konnte Hannes sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Erzieher wusste, wie man mit einer Waffe umging. Das passte nicht zusammen. Vermutlich spielte auch das Plakat: »make love no war«, das etwas schief an der Tür hing, bei den Überlegungen eine Rolle. Und wie verhielt es sich denn jetzt mit Erika? War sie die Drahtzieherin? Hannes Gefühl sagte ihm, dass auch sie nichts mit den Morden zu tun hatte. Die Dame war zwar ein Drache, aber auf ihre spröde Art zu leidenschaftlich und hätte daher bestimmt einen anderen Lösungsweg eingeschlagen und nicht kaltblütig auf ihr Opfer geschossen. Etwas ratlos schüttelte Hannes den Kopf und nahm den Faden wieder auf, an dessen Ende er wohlweislich seinen letzten Köder geknüpft hatte.
    »Alles schön und gut, aber was soll das beweisen? Sie hatte das Handy und ist in den Wald gelaufen. Hat Frau Noller etwa schnell ihr Jagdgewehr aus dem Auto geholt und ist ihr gefolgt?«
    Der verständnislose Blick des Kindergärtners ließ Hannes Strich durch dessen Namen noch eine paar Millimeter dicker werden. Absolut keine Verbindung. Wie Schade!
    »Von was reden Sie denn da? Was für ein Gewehr? Sie ist ihr einfach wutschnaubend wie ein andalusischer Stier hinterhergelaufen! Das war alles!«
    Beide Männer schauten Erika an. Immerhin hatte sie jetzt eine Chance verdient, sich zu dem Vorfall zu äußern.
    »Er hat recht«, räumte sie nach einer Weile zerknirscht ein. »Ich bin hinter ihr hergerannt. Hab sie dann auch eingeholt. Ja, und wir haben uns weiter … ähm, wie soll ich sagen … Ach was soll’s. Wir haben uns wirklich heftig gestritten. Sie hat mir gegen das Schienbein getreten.«
    Sie krempelte sogleich zur Bestätigung das rechte Bein ihrer olivfarbenen Stoffhose bis ans Knie hoch und beide Männer sogen beim Anblick des riesigen blaugrünen Flecks die Luft ein. Das hatte bestimmt höllisch wehgetan.
    »Glaubt mir! Das hat höllisch wehgetan! Darum konnte und wollte ich ihr auch nicht mehr folgen. Ich bin dann zurückgegangen, oder eher gehumpelt, und du warst da aber schon weg, Wolfi.«
    »Ja, Susanne hatte mich zuerst mitnehmen wollen, aber ich bin dann doch mit dem Rad gefahren. Du solltest da ’ne Salbe drauftun, Erika. Das sieht echt schmerzvoll aus. Wart mal, ich hab da was.«
    Sie lächelte ihn dankbar an. Auch Hannes verstand das – in dieser Fürsorge eingekleidete – Friedensangebot. Sauli fiepte wieder. Es war Zeit, zu gehen. Auf dem Weg zur Tür drehte er sich aber noch einmal um.
    »Wie heißt diese Susanne eigentlich mit Familiennamen?«
    »Susanne Klöter. Sie ist die Mutter von Oskar, einem Vierjährigen aus der Gruppe Fliegenpilz«, kam die bereitwillige Antwort von Erika, während sie eine Tube Creme entgegennahm, die Wolfgang ihr gerade reichte.

73
    Erst an Loch neun war es ihr gelungen, Andreas endlich einzuholen. Es war mittlerweile sehr warm geworden und er hatte sich die Jacke ausgezogen, die ordentlich über seinem Trolley hing, vor dem er jetzt stand und offensichtlich überlegte, welches Holz er nehmen sollte.
    »Grüß dich, Andi!«
    Der Angesprochene zuckte zusammen. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, hier gefunden zu werden. Schnell drehte er sich um.
    »Mei, Claudi, was machst du denn hier?«
    Sie schenkte ihm ein entschuldigendes Lächeln, zuckte die Schultern und stellte sich neben ihn.
    »Nur mal gucken, wie’s dir so geht. Hm, ich würd den da nehmen.«
    »Tztz, man merkt, dass du wirklich keine Ahnung hast. Selbst bei deinen Trainerstunden ist offenbar nix hängengeblieben! Ich nehm doch keinen Dreier bei der Distanz!«
    Sie versuchte, die erwähnte Distanz einzuschätzen, gab aber gleich auf, denn er hatte ja recht: Sie hatte wirklich keine Ahnung! Andreas zog nun aus der Hosentasche ein Tee, ging in die Hocke und steckte es in den Boden.
    »Also, als Beraterin hast du hiermit versagt.«
    Er sah sie von unten her misstrauisch an.
    »Bleibt immer noch die Frage, warum du hier bist. Hat dich Sybille geschickt?«
    »Naa!«
    Es fiel ihr plötzlich schwer, all ihre Gefühle, die die ganze Palette von Enttäuschung über Wut bis zu Angst und Hilflosigkeit durchliefen, in sinnvolle und verständliche Worte zu fassen; besonders da sie jetzt einen so rationalen Menschen wie Andreas vor sich hatte. Um Zeit zu

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