Der Semmelkoenig
watschelte er auch sofort zum Ausgang. Als er dann die Hand auf die Türklinke legte, drehte er sich noch einmal um, um eventuell einen letzten anerkennenden Blick von seinem Chef zu erhaschen. Leider merkte er nicht, dass in der Zwischenzeit Steffi die Tür aufgerissen hatte. Diese war – natürlich ohne jedes Feingefühl für eine sich gerade anbahnende Männerfreundschaft und, typisch Frau, nur auf ihre eigenen Probleme konzentriert – mit Polizeimeister Schnabelhuber zusammengeprallt, sodass die kostbare Akte auf den Boden fiel.
»Schnabelhuber, so passen Sie doch auf!«, rügte sie ihn ungerecht, sah sich mit gehetztem Blick um und schien erleichtert, Kommissar Maus zu sehen.
»Herr Kommissar! Endlich, hier stecken Sie also. Ich versuche schon seit zwanzig Minuten, Sie zu erreichen. Ihre Frau sagte mir, Sie seien im Revier. Ich hab Sie überall gesucht!«
»Steffi!«, war Maus ärgerliche Antwort auf diesen Redeschwall. »Sie wussten doch, dass wir eine Besprechung hatten. Sie selbst sollten doch alle Kollegen informieren.«
Erschrocken schlug seine Assistentin die Hände vor den Mund.
»Verflixt, das hab ich in der ganzen Aufregung total vergessen«, aber schnell hatte sie sich wieder gefangen und drehte den Spieß kurzerhand um, indem sie vorwurfsvoll zu ihrer anfänglichen Frage zurückkam: »Herr Kommissar, warum sind Sie nicht an Ihr Handy gegangen?«
Er zuckte die Schultern, holte das Telefon aus seiner Brusttasche und seufzte.
»Weil der dämliche Akku mal wieder leer ist!«
»Ich hab Ihnen doch schon gesagt, Sie brauchen ein neues. Das is schon so alt, dass man es im Heimatkundemuseum ausstellen könnte.«
»Es hat mir immer treue Dienste geleistet!«, kam die trotzige Verteidigung. Sie hatte es wieder geschafft und ihn in die Defensive gebracht.
»Okay, Steffi, jetzt genug über die Technik geplauscht. Was ist bitte jetzt so Dringendes passiert, dass fast niemand hier ist?«
»Wir haben ihn!«
Vor Aufregung hatten sich ihre Wangen zartrosa gefärbt und ihre Augen blitzten.
»Wir haben wen?«
»Na, Heidis Mörder! Claudia Hubschmied hat ihn geschnappt! Vor ’ner halben Stunde oder so. Es ist Georg Möller und er hat gestanden und jetzt ist er im Krankenhaus, weil er auch den Wasserfall runtergestürzt ist!«
Maus Augen wurden schmal. Das war tatsächlich eine Überraschung, die er erst einmal verdauen musste. Steffi sah währenddessen fast so aus, als wolle sie wie ein kleines Mädchen kurz vor der Bescherung auf- und abhüpfen, so aufgeregt war sie.
»Ja, wunderbar. Das is ja wirklich eine wunderbare Neuigkeit«, bemerkte Maus und versuchte schnell, seine Gedanken zu ordnen. Seine Assistentin machte ihm dies durch ihre sonderbare Euphorie nicht gerade einfach und so schob er noch ein schnelles: »Äh, das freut mich wirklich sehr«, hinterher.
Zwar konnte er es immer noch nicht so recht glauben, aber das plötzliche Gefühl, von einer großen Last befreit worden zu sein, machte es ihm leichter, diese unerhörte Neuigkeit zu akzeptieren. Zumindest hatte er mit seinen Vermutungen gar nicht so falsch gelegen: Hinter Heidis Mord steckten Leidenschaft und ein Mann. Für Maus stand außer Zweifel, dass Kollegin Hubschmied sich geirrt haben könnte, nur sagte ihm sein Bauchgefühl, dass diese Festnahme nicht ganz so einfach gewesen sein dürfte. Er wollte so schnell wie möglich alle Zusammenhänge erfahren. Vielleicht war es das, was ihn zurückhielt, vor Begeisterung zu jubeln, sich mit Hammer oder dem Mechaniker abzuklatschen, Steffi um den Hals zu fallen, oder was man sonst in solchen Situationen tat. Er war eben Realist, und die Kirche hatte gefälligst im Dorf zu bleiben. So im Grübeln fiel sein Blick wieder auf Steffi, die immer noch wie ein Honigkuchenpferd strahlte.
»Steffi, äh, wie gesagt, das ist ganz toll, aber warum Sie so glücklich sind, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Immerhin is der Georg Möller doch ein Cousin von Ihnen!«
»Großcousin!«, korrigierte Steffi und grinste schadenfroh. »Und ja, ich freu mich diebisch, denn er is ein arroganter Depp! Alle Möllers sind arrogante Deppen, die auf mich und die Meinen immer als kleine Verwandte herabsehen. Am schlimmsten is meine Großcousine Sybille. Okay, um den Großonkel Sepp bin ich schon ein wenig besorgt, aber graue Haare krieg ich deswegen auch nicht. Und um nochmal auf den Georg zurückzukommen: Da seh ich die ganze Sach pragmatisch und im Zuge der Gerechtigkeit bin ich froh, dass man ihn geschnappt
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