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Der Sensenmann

Der Sensenmann

Titel: Der Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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eine Person einfach sein, die es geschafft hatte, die Jahrhunderte zu überleben. Es gab den Ausdruck Zombie dafür, obwohl sie den auch nicht hätte unterschreiben wollen. Er war irgendwie anders. Und zwar so anders, daß ihr der passende Begriff für eine korrekte Umschreibung einfach fehlte. Er hatte überlebt, doch wenn sie ihn so betrachtete, wollte sie nicht glauben, daß dies in einem Grab geschehen war. Sie konnte ihn sich auch nicht als richtigen Untoten vorstellen, aber ihre Gedanken kehrten immer wieder zu diesem Ergebnis zurück, obwohl Sarah davon keineswegs überzeugt war. Etwas störte sie ganz gewaltig.
    Gelesen hatte sie genug über ihn. Er hatte wohl immer schon so ausgesehen, zumindest ähnlich. Die Zeit mußte einfach Spuren bei ihm hinterlassen haben, und trotzdem war er nicht mit einer Person zu vergleichen, die aus dem Grab gekrochen war, in dem sie Jahrhunderte gelegen hatte.
    Er war schlauer gewesen. Aus den Chroniken wußte sie, daß er die Zeit der Hexenverfolgung zu seinen Gunsten genutzt hatte. Er war raffgierig gewesen, zu wild auf Geld und Besitz, und das war den Oberen nicht recht gewesen, deshalb hatten sie ihn aus der Stadt vertrieben – angeblich.
    Ihr Kopf begann wieder zu schmerzen. Das Nachdenken hatte sie angestrengt, und wenn sie zu einer bestimmten Stelle des Kopfes tastete, konnte sie die Beule dort fühlen. Er sprach sie an. Wieder hörte sie die Stimme des Sensenmanns, ln diesem unterirdischen und kahlen Gefängnis klang sie anders als im klemen Raum des Stadtarchivs.
    »Du bist für mich wertvoll, sehr wertvoll, denn durch dich werde ich an meinen eigentlichen Feind herankommen. Aber du wirst mir zugleich auch das Tor zur Halle des Sieges öffnen, denn nichts wird meine Pläne jetzt noch stören.«
    »Was willst du denn?« fragte Sarah leise und wunderte sich darüber, wie anstrengend es für sie war, überhaupt zu reden.
    »Ich will das, was ich schon immer wollte. Damals habe ich es nur nicht bekommen.«
    »Und jetzt?«
    »Werde ich es mir holen. Ich werde einen Sieg erringen. Ich werde allen beweisen, daß ich stärker bin als sie.« Er beugte sich ihr etwas entgegen und benutzte die Sense, die er umgedreht hatte, jetzt als Stütze. »Ja, ich bin stärker, und ich bin auch stärker als der Teufel, stärker als die Hölle. Ich werde das schaffen, was vor mir noch keiner geschafft hatte. Alle haben den Sensenmann unterschätzt. Sie holten mich, weil sie mich brauchten, und ich bin gern gekommen, um sie von ihren Problemen zu erlösen. Doch als sie merkten, daß ich mir das holen wollte, was mir zustand, da haben sie mich verjagt. Ich wußte auch, daß sie mich töten wollten. Draußen vor der Stadt hatten sie schon ihre Falle aufgebaut, aber ein Ludwig von Thann ist nicht so dumm, daß er in sie hineinläuft. Ich habe mich anders entschieden. Meine Feinde von damals sind tot, ich aber lebe immer noch, und ich werde mir das holen, was mir zusteht.«
    Lady Sarah hatte ihre Kräfte wieder sammeln können. Jetzt stellte sie eine Frage. »Und was ist das? Was möchtest du haben?«
    »Den Sieg!«
    »Kein Geld?«
    »Nein, den Sieg«, wiederholte er. »Den Sieg über das, vor dem selbst der Teufel zurückschreckt. Was sein Trauma ist seit Beginn der Zeiten. Den Sturz in die Hölle hat Luzifer nicht überwunden. Daraus ist die Dreieinigkeit der Hölle entstanden mit verschiedenen mächtigen Herrschern, die man als Teufel ansehen kann. Ob Luzifer oder Beelzebub – was spielt das für eine Rolle? Sie alle haben nach der absoluten Macht gestrebt, aber sie haben es nie geschafft, das zu besitzen, was ihren Feinden geweiht worden ist.«
    Auch wenn Lady Sarah den größten Teil ihres Lebens schon hinter sich hatte, senil war sie nicht, und sie war auch im Alter mit einem scharfen Verstand ausgestattet.
    »Du willst in die Kirchen?«
    »Ja.«
    Die Antwort hatte Lady Sarah erwartet. Trotzdem erschrak sie. Ein alter Traum sollte sich erfüllen. Das Böse oder die Hölle wollte einen neuen Ort finden, um zu beweisen, wer letztendlich der Mächtigste auf der Welt war. Die Gotteshäuser waren dem Teufel und seinen Dienern bisher verschlossen gewesen. Sie hatten sich nur selten getraut, sie zu betreten, aber dann, um sie zu zerstören oder zerstören zu lassen.
    »Wie willst du sie…?«
    »Nur eine.«
    »Ach…«
    »Die hier oben. Die sich über uns befindet. Die Michaelskirche, wie man hier sagt. Sie will ich haben. Sie soll in meinen Besitz gelangen. Hier setze ich mein Zeichen. Hier

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