Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
harter Umklammerung, daß er in den Knöcheln den Pulsschlag pochen fühlte. Aber Nerven heilten nicht ... konnten nicht heilen ... Verdammnis! stöhnte er innerlich auf. Der wiedergekehrte Tastsinn suchte sein Herz mit Furcht heim. »Nein«, flüsterte er, ohne es zu beabsichtigen. »Nein.« Aber der Tonfall zeugte von seiner Einsicht in die Sinnlosigkeit der Ablehnung.
»Ach, mein Freund«, sagte Mhoram seufzend, »deine Träume waren übers Maß voll mit solchen Weigerungen. Doch verstehen kann ich sie nicht. Deinem Atmen höre ich an, daß du dich deiner eigenen Heilung widersetzt hast. Und das Ergebnis ist mir unklar. Ich weiß nicht zu sagen, ob dein Widerstreben dir wohl oder übel bekommen ist.«
Covenant blickte auf in Mhorams von Mitgefühl gekennzeichnetes Gesicht. Noch immer saß der Lord neben seinem Bett; sein mit Eisen geschuhter Stab lehnte innerhalb der Reichweite seiner Hand an der Mauer. Aber im Zimmer brannten nicht länger Fackeln. Durch ein Erkerfenster in der Nähe des Betts fiel Sonnenschein in den Raum. Mhorams Blick rief Covenant überdeutlich ihre verschlungenen Hände ins Bewußtsein. Vorsichtig löste er seine Finger aus Mhorams Faust. Dann stemmte er sich auf die Ellbogen hoch und fragte, wie lange er geschlafen habe. Im Anschluß an die Ruhepause nach seinem Gebrüll in der Klause kratzte seine Stimme jetzt heiser in der Kehle. »Nun ist's früher Nachmittag«, gab ihm Mhoram Auskunft. »Die Herbeirufung vollzogen wir am gestrigen Abend.«
»Warst du ... seitdem die ganze Zeit hier?«
Der Lord lächelte. »Nein. Während der Nacht ... wie soll ich mich ausdrücken? Man rief mich fort. In meiner Abwesenheit saß Hoch-Lord Elena an deiner Bettstatt.« Nach einem Moment des Schweigens machte er eine Ergänzung. »Sie wird am heutigen Abend mit dir sprechen, so du dazu die Bereitschaft aufbringst.«
Covenant ging darauf nicht ein. Die Erwähnung Elenas weckte seine Erbitterung und Furcht, die die Maßnahme, ihn ins Land zu holen, in ihm ausgelöst hatte, von neuem. Er empfand die ›Herbeirufung‹ als ihre Tat; ihre Stimme war es gewesen, die ihn von Joan weggerissen hatte. Joan! heulte es in seinem Innern. Um sein Mißbehagen zu überspielen, kroch er aus dem Bett, suchte seine Kleidung zusammen und hielt Umschau nach einer Waschgelegenheit. Im Nebenzimmer entdeckte er ein steinernes Becken mit einem Rohr und einer Reihe untereinander abgestimmter steinerner Hähne, die es ermöglichten, nach Belieben Wasser abzuzapfen. Er füllte das Becken. Als er seine Hände ins Wasser tauchte, ließ die herbe Kälte der Flüssigkeit die wiedererwachte Lebendigkeit seiner Nerven erschaudern. Verärgert senkte er den Kopf ins Wasser und hob ihn erst wieder heraus, als die Kälte in seinen Schädelknochen zu schmerzen anfing. Dann stellte er sich, triefnaß wie er war, an ein heißes Gefäß voller Glutgestein nahe beim Becken. Während das Glühen des Feuergesteins ihn trocknete, stillte er die Pein in seinem Herzen. Er war Lepraleidender und wußte bis ins Mark seines Gebeins um die lebensentscheidende Bedeutung des Sichabfindens mit Tatsachen. Joan war für ihn verloren; das war eine Tatsache, und sie befand sich, genauso wie seine Krankheit, außerhalb jeder Möglichkeit zur Veränderung. Sie war ärgerlich geworden, als er nichts zu ihr sagte, und bestimmt hatte sie kurz darauf den Hörer aufgelegt, in der Annahme, er habe sich für ihr Zureden taub gestellt, ihren mutigen, wackeren Versuch ausgeschlagen, die Einsamkeit zwischen ihnen zu überbrücken. Und er konnte dagegen nichts unternehmen. Erneut war er in seinen Wahngebilden gefangen. Wollte er überleben, durfte er sich keinesfalls den Luxus leisten, aussichtslosen Hoffnungen nachzutrauern. Er war ein Leprakranker; alle etwaigen Hoffnungen waren falsch. Sie waren seine Feinde. Sie konnten ihn umbringen, indem sie ihn blind für die tödliche Gewalt der Fakten machten. Das Land war ein Truggebilde; auch dabei handelte es sich um eine Tatsache. Eine Tatsache war sein Gefangensein im Netz seiner eigenen Schwäche. Seine Lepra war eine Tatsache. Er beharrte auf diesen Sachverhalten, während er zugleich matt gegen das eigene Beharren protestierte: Nein! Ich kann es nicht ertragen! Aber das kalte Wasser verschwand von seiner Haut, die freundliche, erdige Wärme des Glutgesteins löste es ab. Empfindungen zitterten auf erregende Weise von seinen Zehen und Fingern durch die Gliedmaßen. Mit wilder, störrischer Miene, als renne er mit dem Kopf
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