Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
dessen Nutzung sein Vermögen oder ist ihm verwehrt. Hier aber haben wir eine Waffe, der wiederum wir selbst nicht gewachsen sind. Es mag sein, daß er sich dazu in der Lage befindet, sie zu meistern, daß er uns mit dieser Waffe beistehen kann, obschon er nicht das Weißgold zu verwenden vermag.‹ Nach langwierigen, sorgenvollen Überlegungen gewann meine Meinung die Oberhand. Deshalb ersucht dich der Großrat des Lords von Schwelgenstein, dies Geschenk anzunehmen, so daß seine Macht nicht ungenutzt bleibt, sondern gegen den Verächter ins Feld geführt wird. Ur-Lord Covenant, es handelt sich beileibe nicht um eine leichtfertige Gabe. Vor vierzig Jahren befand dieser Gegenstand sich noch nicht im Besitz des Großrats. Aber der Stab des Gesetzes tat in der Tiefe Schwelgensteins Pforten auf – Pforten, die seit der Schändung verschlossen geblieben waren. Die Lords hofften, daß sich in diesen Kammern weitere Kreise des Wissens von Kevins Lehre entdecken ließen, doch vergeblich. Doch unter vielen Dingen von vergessenem Gebrauch oder unbedeutender Macht fand man dies hier ... das wir dir nun zum Geschenk reichen.«
Mit peinlicher Sorgfalt übte sie Druck auf die Seiten des Behälters aus, und der Deckel klappte hoch, enthüllte ein mit Samt ausgepolstertes Inneres mit einem kurzen silbernen Schwert darin. Die Klinge war zweischneidig, besaß ein gerades Stichblatt und einen gerippten Griff; die Waffe war rings um einen reinen weißen Edelstein angelegt, der das gemeinsame Verbindungsstück von Klinge, Stichblatt und Griff bildete. Der Stein wirkte sonderbar leblos; er spiegelte den Lichtschein des Glutgesteins nicht wider, als wäre er jeder gewöhnlichen Flamme gegenüber tot oder unempfindlich. »Das ist das Krill von Lorik Übelzwinger, Sohn Damelons, des Sohnes von Berek. Damit erschlug er das Dämondim-Tarnfleisch des Wütrichs Moksha und befreite das Land von der ersten großen Bedrohung durch die Urbösen. Ur-Lord Covenant, Zweifler und Ring-Than, wirst du dieses Geschenk annehmen?«
Langsam, ganz erfüllt von der wie faszinierten Furcht des Leprakranken vor Dingen, die schnitten, hob Covenant das Krill aus dessen samtenem Polster. Er faßte die Waffe am Griff und bemerkte, daß ihre Ausgewogenheit seiner Hand behagte, obwohl die restliche Faust mit ihren zwei Fingern und dem Daumen sie nicht allzu gut halten konnte. Behutsam prüfte er die Schneiden mit dem anderen Daumen. Sie waren so stumpf, als wären sie nie geschärft worden – stumpf wie der weiße Edelstein. Einen Moment lang stand er still da und dachte, daß eine Klinge durchaus nicht scharf sein mußte, um ihm zu schaden.
»Mhoram hatte recht«, sagte er aus der öden, einsamen Abgestumpftheit seines Herzens. »Ich will keine Geschenke. Ich habe schon mehr Geschenke erhalten, als ich verkraften kann.« Geschenke! Es kam ihm so vor, als habe jeder, den er je im Lande kennengelernt hatte, ihm Geschenke aufzudrängen versucht – Schaumfolger, die Ranyhyn, Lord Mhoram, sogar Atiaran. Das Land selbst hatte ihm das Geschenk einer unausdenklichen Nervenheilung gemacht. Das Geschenk Lenas jedoch, Atiarans Tochter, war schrecklicher als alle anderen gewesen. Er hatte sie vergewaltigt. Vergewaltigt! Und danach versteckte sie sich, damit ihre Verwandten und Freunde nicht davon erfuhren und ihn nicht bestrafen konnten. Sie hatte mit unvergleichlicher Weitsicht gehandelt, so daß er unbehelligt davonkam – frei und ungehindert blieb, so daß es ihm möglich war, den Lords Lord Fouls Prophetie ihres Untergangs auszurichten. Neben dieser Selbstverleugnung verblaßten selbst Atiarans Opfer. Lena! heulte er innerlich. Ein gewaltsamer Ausbruch von Gram und Selbstvorwürfen quoll in ihm empor. »Ich will keine Geschenke!« Wut verfinsterte sein Gesicht wie eine Gewitterwolke. Er packte das Krill mit beiden Fäusten, die Klinge abwärts gerichtet. Mit einer Bewegung, die einem wilden Zucken glich, stieß er das Schwert mitten auf die steinerne Tischplatte, versuchte die stumpfe Klinge auf dem Stein zu zerbrechen. Ein urplötzliches Aufflammen grellweißen Lichts blendete ihn wie ein Blitzschlag. Das Krill sprang ihm aus den Händen. Aber er wollte, was damit geschehen war, gar nicht wissen. Augenblicklich wirbelte er herum und wandte sich wieder Elena zu. »Keine weiteren Geschenke! « keuchte er, obwohl die weiße Leuchterscheinung noch seine Sicht ins Schwimmen brachte. »So was kann ich mir nicht erlauben!«
Aber sie sah ihn nicht an, hörte ihm auch nicht
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