Der siebte Kreis des Wissens - Covenant 02
Leute es nicht besuchen können?«
»Ganz Schwelgenstein kennt den Weg. Gegenwärtig sind wir allein, aber in Friedenszeiten – oder Zeiten, in denen Krieg entfernter ist – halten sich stets Menschen hier auf. Die Kinder unserer Schulen bringen hier so manche Stunde zu, um des Landes Künste zu erlernen. Aus dem ganzen Lande kommen Kunstmeister, um ihre Fertigkeiten zu vermitteln und sie zugleich zu erhöhen. Die Halle der Geschenke befindet sich so tief und entlegen im Erdgestein, weil den Riesen, welche die Herrenhöh schufen, ein solcher Ort angemessen dünkte – und aufgrund ihrer Erwägung, daß die Halle, sollte denn Schwelgenstein einmal fallen, verborgen und erhalten bleiben möge, in der Hoffnung auf eine neue Zukunft.« Für eine Sekunde schien der Fokus ihres Blicks näher auf ihn einzupendeln, und sie schaute eindringlicher drein, als versuche sie Löcher in seinen Schädel zu bohren, um nachzusehen, was er dachte. Dann jedoch kehrte sie sich mit sanftem Lächeln seitwärts und schritt zu einer anderen Wand der Kaverne. »Ich möchte dir ein anderes Kunstwerk zeigen«, sagte sie. »Es stammt von einer unserer begnadetsten Kunstmeisterinnen, Ahanna, Hannas Tochter. Sieh hier.« Er folgte ihr und blieb mit ihr vor einem großen Gemälde in poliertem Ebenholzrahmen stehen. Das Werk war in düsteren Farben ausgeführt, aber etwa in der Mitte glomm wacker eine Gestalt, die Covenant unverzüglich erkannte: Lord Mhoram. Der Lord stand allein in einer Mulde, dicht umzingelt von schwarzen, unholdhaften Schatten, die auf ihn niederzuschwappen drohten wie eine Flut, um ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. Seine einzige Waffe war sein Stab, aber er schwang ihn in kühner Gegenwehr; in seinen Augen war ein heißer, kraftstrotzender Blick, der Entschlossenheit bis zum äußersten und Triumph widerspiegelte, als habe er in seinem Innern irgendeine Kapazität für den Umgang mit Gefahren entdeckt, die ihn unbesiegbar machte. »Ahanna hat das Bildnis ›Lord Mhorams Sieg‹ genannt«, sagte Elena respektvoll. »Ich glaube, sie ist eine Prophetin.«
Der Anblick Lord Mhorams in Bedrängnis bereitete Covenant Betroffenheit, und er empfand den Hinweis auf das Gemälde als Vorwurf. »Hör zu«, sagte er. »Mach Schluß mit diesem Spielchen. Wenn du was zu sagen hast, dann sag's. Oder befolge Troys Rat und sperr mich ein. Aber treib nicht so was mit mir.«
»Spielchen? Ich verstehe dich nicht.«
»Hölle und Verdammnis! Stell dich nicht so unschuldig. Du hast mich doch rufen lassen, um mich für den Streit mit Trell zur Rede zu stellen. Also, dann sehen wir zu, daß wir's hinter uns kriegen. Ich kann diese Ungewißheit nicht aushalten.«
Der Hoch-Lord erwiderte seinen wilden Blick mit solcher Offenheit, daß er sich abwandte, bei sich gedämpft fluchte, um Fassung zu bewahren. »Ur-Lord ...« Elena legte fast flehentlich eine Hand auf seinen Arm. »Thomas Covenant. Wie kannst du solche Gedanken hegen? Sieh mich an. Sieh mich an!« Sie zog an seinem Arm, bis er sich ihr wieder zudrehte, der Aufrichtigkeit, die in all ihren Gesichtszügen Ausdruck fand. »Ich habe dich nicht in den Saal kommen lassen, um dich zu quälen. Es war mein Wunsch, daß du meinen letzten Aufenthalt hier in der Halle der Geschenke mit mir teilst. Der Krieg ist nah – sehr nah –, und ich werde nicht bald wieder hier weilen können. Was den Streitmark anbetrifft – ich nehme von ihm in deiner Sache keinen Rat entgegen. Wenn jemanden für deine Begegnung mit Trell eine Schuld trifft, dann mich. Ich hab's versäumt, dir über meine Sorge klaren Aufschluß zu geben. Und ich selbst besaß keine Klarheit über das Ausmaß der Gefahr, andernfalls hätte ich alle Bluthüter angewiesen, ein Zusammentreffen zu verhindern. Nein, Ur-Lord, ich habe dir keine harten Worte zu sagen. Es stünde dir zu, Vorwürfe wider mich zu erheben. Ich habe dein Leben gefährdet und Trell, meinen Großvater, seiner letzten Selbstachtung beraubt. Er war außerstande, seiner Tochter und seiner Gemahlin zu helfen. Nun muß er wähnen, daß er nicht einmal sich selbst noch helfen könne.«
Während er sie ansah, zerfiel Covenants Argwohn zu Staub. Er tat einen tiefen Atemzug, um seine Lungen mit frischer Luft zu füllen. Die Bewegung schmerzte an seinen Rippen. Der Schmerz gab ihm die Befürchtung ein, sie werde wieder seinen Brustkorb anfassen. »Rühr mich nicht an!« murmelte er deshalb hastig.
Im ersten Moment mißverstand sie ihn. Ihre Finger zuckten von seinem Arm
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