Der siebte Turm 03 - Aenir - Reich der Schatten
Geräusche – die Rufe fremdartiger Kreaturen. Einmal flog etwas vorbei, doch es war zu schnell, sodass Milla nicht erkennen konnte, was es war.
Die Sonne ging unter und die Sterne erschienen. Milla streckte sich und begann, hin und her zu gehen. Ihre Beine schmerzten noch immer vom Griff des Klammerdings.
Stunden vergingen, doch als es für Odris an der Zeit war, Wache zu halten, schlief Milla nicht. Je länger sie auf und ab ging, desto mehr hatte sie das Gefühl, dass es sich bei diesem Turm nicht um einen Zufluchtsort, sondern um eine Falle handelte.
Schließlich beschloss sie, dass sie versuchen sollten, sich noch vor Sonnenaufgang an den Nanuchs vorbeizuschleichen. Sofort fühlte sie sich besser. Etwas zu unternehmen lag in der Natur einer Schildjungfrau. Sie würde jetzt zwar sicher keine Schildjungfrau mehr werden, aber sie konnte zumindest wie eine handeln. Und wie eine sterben, wenn es denn so enden sollte.
Sie gingen noch einmal die Treppe hinunter. Milla trat so leise wie möglich auf und das einzige Geräusch, das Odris von sich gab, konnte man auch für den Wind halten, der durch die Turmfenster wehte.
Unten zog Milla nur ihren Dolch, denn das natürliche Leuchten ihres Schwertes hätte die Nanuchs gewarnt.
Unglücklicherweise gab es hier keine Erde oder Staub, mit dem sie ihre hellen Felle oder den Brustpanzer aus Selski-Haut einreiben konnte – doch wenigstens war die Panzerung recht dunkel. Ihre Gesichtsmaske zog sie nicht über. Sie war aus weißem Knochen und würde im Licht der Sterne nur allzu hell leuchten. Es war für Milla ein ungewohntes Gefühl, ohne ihre Maske in einen Kampf zu gehen.
Milla kauerte recht lange neben die Tür, bis sich ihre Augen an das wenige Sternenlicht gewöhnt hatten, das die Bäume beleuchtete. Es war hell genug, dass sie die Schatten der Bäume ausmachen konnte – und die mehrerer Nanuchs. Sie waren vollkommen ruhig, zeigten keinerlei Regung. Milla hoffte, dass das bedeutete, dass sie schliefen.
Sie schob sich durch die offene Tür.
Zumindest nahm sie an, dass sie das tat. Doch irgendwie kam sie wieder im untersten Raum heraus und schaute nach draußen.
Völlig verwirrt machte sie wieder einen Schritt nach vorn. Einen Moment stand sie im Türrahmen und ihr Fuß war kurz davor, auf der nackten Erde draußen aufzusetzen.
Doch er kam auf einem Holzboden auf. Sie war durch die Tür gegangen, doch die führte nicht nach draußen. Sie brachte sie wieder nach drinnen.
Hier war irgendeine Magie im Gange. Furchtbare Magie, schlimmer als alles, was sie erwartet hatte.
Jetzt war sie überzeugt, dass dies eine Falle war.
KAPITEL SECHZEHN
Tal hörte, wie der Sand hinter ihm hereinrieselte, doch er drehte sich nicht um. Die Lichtmauern rechts und links von ihm blieben stabil und das beruhigte ihn. Die Stufen führten weiter nach unten.
Sie endeten schließlich vor einem hohen Durchgang. Offensichtlich war einmal eine gewaltige Steintür in dem Durchgang gewesen – diese lag jetzt halb davor, so als hätte sie jemand herausgerissen und liegen lassen.
Das ließ Tal einen Moment lang innehalten. Doch dann sagte er sich, dass der Kodex ihn hierher geschickt hatte.
Den Kodex zu finden, bedeutete Gref zu finden.
Er, der zögert geht rotwärts und sie, die Gelegenheiten ergreift, steigt zu den Violetten auf.
Ebbitt hatte diesen Spruch immer vorwärts und rückwärts aufgesagt und sich beinahe kaputtgelacht, doch Tal nahm ihn ernst.
Er stieg über die gestürzte Tür und passierte den Durchgang.
Der Raum dahinter besaß Wände aus Stein und Licht, die jeweils den Sand abhielten. Tal konnte ein paar kleine Sandhaufen sehen, die sich unter schmalen Spalten gebildet hatten, wo sich die magischen Barrieren mit dem Stein trafen.
In der Mitte des Raumes saß ein Junge im Schneidersitz und starrte Tal an. Er war nicht viel älter als Tal, trug weiße Hosen und ein weißes Hemd mit blauen Manschetten. Ein Erwählter.
Tal wusste sogar, wer er war: Lenan von den Blauen. Er war im Jahr zuvor verschwunden. Jedes Jahr am Tag des Aufstiegs gingen alle Kinder der Erwählten, die das Alter von dreizehn drei Viertel Jahren erreicht hatten, nach Aenir, um sich einen Geistschatten zu suchen, den sie an sich binden konnten. Nicht alle von ihnen kamen zurück.
Aber was tat Lenan hier? Und wo war Hazror?
„Ich grüße dich, Erwählter“, sagte Lenan. Seine Stimme klang etwas eigenartig. Zu hoch.
Tal hatte schon ein paar Schritte nach vorn gemacht, um Lenan
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