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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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beim Anblick der blutigen Fetzen. »Was ist mit Erwan? Ist er schwer verletzt?«
    »Hat ihn an der Schulter erwischt. Speerstich.«
    »Und du?«
    »Hab bloß prächtig Prügel eingesteckt.« Der Junge grinste schon wieder. »Der Römer aber auch!«
    »Ihr seid dümmer als ein Sack Gerste! Steh auf und lass dich ansehen!«
    Einigermaßen gehorsam erhob sich Ilan und zeigte seine Blessuren vor. Überwiegend waren es Beulen und
Prellungen, einige Schürfwunden und vielleicht ein paar angeknackste Rippen.
    »Geh dich waschen! Aber gründlich!«
    »Och, Annik … Muss das wirklich sein!«
    »Das muss sein. Und zum Brunnen gehst du selbst. Einen Eimer Wasser habe ich schon geschleppt! Bring auch einen zweiten für Erwan mit.«
    Der alte Mann war inzwischen ebenfalls wach geworden und stöhnte leise.
    »Alter Trottel!«
    »Ja, Annik!«
    »Kannst du dich aufsetzen?«
    »Will’s versuchen.«
    Er hustete heftig, aber gemeinsam schafften sie es, ihn in eine sitzende Position zu bringen, und Annik entfernte vorsichtig die notdürftigen Verbände. Die Wunde sah nicht schön aus.
    »Holt Ursa, die versteht was davon«, murmelte er.
    Aber das hatte Ilan schon getan, der der Haushälterin am Brunnen über den Weg gelaufen war. Sie trug den zweiten Wassereimer, als sie in den Schuppen kam. Gwena, die Küchenmagd, eilte hinter ihr her und umarmte mit einem Ausruf des Mitleids ihren Bruder, der unter ihrer Behandlung zu Boden sank. Ursa hingegen stellte resolut den Wassereimer ab, und ein weiterer Schwall Schimpfworte übergoss die beiden angeschlagenen Kämpen.
    »Nützt nichts, Ursa! Es ist passiert, und wir werden sie als Erstes einmal ordentlich verbinden müssen.«
    »Mmh. Gwena, hol Leinen und Salbe!«
    Höchst ungern ließ in der Zwischenzeit Erwan die rauen Reinigungsmaßnahmen über sich ergehen, die Annik und Ursa für notwendig hielten.
    »Und jetzt los - was ist passiert?«

    »Nur eine kleine Keilerei!«
    »Unsinn. Wieso habt ihr euch mit den Römern angelegt?«
    »Wollten wir doch gar nicht. Wir sind verraten worden.«
    »Was hattet ihr vor? Erwan - ihr wolltet jemanden überfallen, ist es das?«
    Der alte Gnom wurde erneut von einem Hustenanfall geschüttelt und druckste dann vor sich hin, bis Annik ihn derb anfuhr und ihm mit der Haselgerte drohte. Da endlich war er so weit, dass er erzählte, was vorgefallen war. Wie sie geahnt hatte, handelte es sich um einen Angriff auf den kaiserlichen Gesandten, der an jenem Nachmittag die Gegend erreicht hatte. Mit der Begründung, dass umgestürzte Bäume die Straße blockierten, hatten einige Gallier ihn und seine Gefolgschaft auf einen Nebenweg gelotst und von dort immer tiefer in den Wald gelockt. Es wurde dunkel, als sie ihn und seine Leute umzingelten, doch zu einem tätlichen Angriff auf den kaiserlichen Kurier kam es nicht, denn wie durch Zauberei - so Ilan - tauchte plötzlich eine Unmenge bewaffneter Legionäre auf, die über die Gallier herfielen. Es wäre wohl bei einer Prügelei geblieben, wenn nicht einer der Soldaten durch eine hinterrücks geschwungene Axt erschlagen worden wäre. Der Decurio sah rot, und der Kampf wurde blutig.
    Gwena war mit Verbandsmaterial und Salbentopf zurückgekommen und half, ihren Bruder zu versorgen.
    »Es hat Tote gegeben?«, fragte Ursa.
    »Ja. Mindestens vier oder fünf unserer Männer sind ermordet worden. Fast jeder trug eine Verletzung davon.«
    Annik seufzte. Es war genauso eskaliert, wie sie befürchtet hatte.
    »Und Römer?«

    »Nur der eine, glaube ich. Aber genau weiß ich es nicht. Es war ein hässliches Durcheinander. Euer schöner Freund hat sich aber sauber rausgehalten. Das habe ich zumindest mitgekriegt!«
    »Martius war auch dabei?«
    »Klar. Bruder gegen Bruder, was?«
    »Ich dachte, er hätte sich rausgehalten.«
    »Er hat versucht, sich an den Barden heranzumachen!«
    »Ist Cullen etwas geschehen?«
    Ursas Stimme überschlug sich beinahe, und sie ließ einen Topf mit Salbe fallen.
    »Nein, beruhige dich. Cullen kann sich unsichtbar machen. Er stand im Schutz der Büsche und beobachtete den Kampf! Es wird ein schönes, neues Lied geben, denke ich.«
    »Und er hat nicht versucht einzugreifen?«, fragte Annik. »Es wäre seine Aufgabe gewesen, Frieden zu stiften.«
    Erwan lachte trocken auf und begann wieder zu husten.
    »Cullen? Den schmächtigen Hänfling hätten sie in Stücke zerrissen, bevor er nur seinen Mund aufgemacht hätte!«
    »Er hat die Macht des Wortes. Er hätte es tun können!«, erwiderte Annik, aber

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