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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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endlosen, salzigen Meer, das ihre Heimat war.
    In derart wehmütiger Stimmung versunken traf Martius sie an. Sie bemerkte ihn erst, als er neben ihr stand und sie an dem langen Zopf zupfte, der über ihrem Rücken hing. Ohne Überraschung zu zeigen, drehte Annik sich um.
    »He, Mädchen, was bläst du denn hier für eine Trübsal?«, fragte Martius und zog sie an der Hand hoch. »Deine Freundinnen in der Canabae haben mir gesagt, du bist mit langem Gesicht abgezogen, um dich dem Weltschmerz hinzugeben!«
    »Eine freie Interpretation meiner Stinkwut. Aber egal!« Annik musterte ihren großen, athletischen Freund andächtig. »Du siehst überwältigend aus, Martius!«
    »Hübsch römisch, was?«
    Er stolzierte mit einem breiten Grinsen vor ihr auf und ab und ließ sich in seiner Pracht bewundern. Eine rote, kurzärmelige Tunika ließ seinen prächtigen Bizeps sehen, darüber schimmerte ein neuer metallbeschlagener Lederpanzer, der bis über die Taille fiel. An seinem Gürtel trug er ein kurzes Schwert und eine Ledertasche, unter der Tunika halblange Hosen und an den Füßen genagelte Stiefel. Den Kopf hatte er unbedeckt, die langen blonden Locken fielen ihm weiterhin bis auf die Schultern, der üppige Schnauzbart und der bronzene Halsreif, der Torques, zeichnete ihn nach wie vor eindeutig als Keltenkrieger aus.
    »Sie haben von den Einheimischen gelernt, die feinen Herren Legionäre. Wir dürfen Hosen tragen. Und Stiefel statt Sandalen.«
    »Könnte anderenfalls auch ein bisschen klamm im Winter werden. Wie geht es sonst so?«

    »Ich kann nicht klagen. Die Disziplin ist ziemlich streng, aber ich habe ja die Pferde, und die kann ich nicht zu jedem Appell alleine lassen. Was ist mit dir? Diese Hüttenstadt sieht leicht heruntergekommen aus.«
    »Vorsichtig ausgedrückt, ja.«
    Annik erzählte ihm von ihren Misserfolgen, die sich an diesem Nachmittag zugespitzt hatten, und Martius schüttelte ungläubig den Kopf.
    »Soll ich den Patron mal besuchen? Ich könnte ihm einen seiner Ziegel zum Fressen geben.«
    »Vergiss es. Ich werde momentan hier weiter wohnen müssen. Es würde die Stimmung nicht unbedingt verbessern. Ich muss halt eine neue Beschäftigung finden. Nötigenfalls werde ich Wäscherin. Die Frauen brauchen ständig Hilfe.«
    »Unmöglich, Annik. Nicht du!«
    »Nein?«
    »Nein, du vergisst, wer du bist!«
    »Wenn ich überleben will, muss ich das tun.«
    Ungläubig sah Martius sie an, dann ging plötzlich ein Strahlen über sein Gesicht.
    »Ich weiß, was wir tun, Annik. Wir reiten morgen in die Colonia und verbummeln den Tag dort. Es muss fantastisch sein, und ich wollte das schon die ganze Zeit einmal machen.«
    Annik lachte hell auf.
    »Natürlich. Ich auch. Hast du morgen deinen freien Tag?«
    »Seit eben habe ich ihn!«
    »Ach, so großzügig ist man in der Legion, dass jeder Soldat sich freinehmen kann, wann es ihm behagt?«
    »Nicht jeder, aber ich. Hör auf zu mäkeln. Kommst du mit?«
    »Ich habe kein Pferd«, gab Annik zu bedenken.

    »Mir unterstehen Alar und Enora. Die werden wir nehmen.«
    Das waren die beiden Pferde, die Annik und Martius schon in ihrer Heimat geritten waren und die sie den weiten Weg nach Germanien getragen hatten. Hervorragende Tiere, die Falco persönlich für sich ausgesucht hatte.
    »Man wird es bemerken.«
    »Und wennschon. Es heißt, es finden Pferderennen statt. Das wär doch mal was, nicht wahr, Annik? Wir bleiben über Nacht in der Stadt, und ich bin übermorgen zum Wecken zurück. Es gibt ein paar Freunde, die mein Fortbleiben decken werden. Sollte es trotzdem auffliegen, gibt es Gepolter und eine Vorlesung über die Pflichten des Legionärs, schlimmstenfalls ein paar Peitschenhiebe und fünf Tage halbe Ration. Das ist es mir schon wert, Annik.«
    Martius’ Abenteuergeist wirkte ansteckend, und Annik schob alle Bedenken beiseite. Sie verabredeten sich genau an dieser Stelle am Rheinufer, wo Martius beim Morgengrauen mit den Pferden warten würde.
     
    Es war ein überwältigendes Gefühl von Freiheit und Leichtigkeit, das Annik übermannte, als sie bei Sonnenaufgang am Rheinufer entlanggaloppierten. Martius hatte seine militärische Kleidung gegen seine übliche Tunika und Hosen vertauscht, Annik war ähnlich gewandet. Sie hatten etwas Brot und eine Lederflasche voll Wein mitgenommen, doch der Ritt in der Morgenkühle machte sie so beschwingt, dass sie keine Rast einlegten. Mit dampfenden Pferden erreichten sie am frühen Vormittag die Stadtmauern der Colonia. Martius

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